Neuer Wein, neue Schläuche

Die Nachfolgeprojekte der verblichenen Popkomm nehmen Kontur an

Bei Mao heißt es irgendwo, dass ein Funke eine Steppe entfachen könnte. Genau das ist am 1. Dezember passiert. Überrascht musste die Popbranche eine Meldung des Spiegel zur Kenntnis nehmen, dass Köln fürs nächste Jahr eine neue Popmesse und ein neues Popfestival plant – am zweiten oder dritten Augustwochenende 2004, den alten Terminen der Popkomm, deren Macher im Sommer während ihrer zuletzt desaströsen Messe den Umzug nach Berlin verkündeten. Die Medienlawine, die daraufhin ins Rollen kam, war gigantisch, alle großen Zeitungen berichteten, alle folgten dem Spiegel-Motto: »Kampf um die Pop-Hoheit «.
Was war passiert? Namen wurden schnell genannt: Karl-Heinz Pütz, Organisator des Ringfestes, sei für den medialen Vorstoß verantwortlich. Manfred Post, der Rockbeauftragte der Stadt Köln, ziehe im Hintergrund die Fäden. Ralph Christoph und Norbert Oberhaus, Programmmacher im Studio 672 und Stadtgarten, hätten das alles organisiert. Die Leitung der Kölner Messe wird ihre Trumpfkarte ausgespielt haben. Und am Ende stecke hinter allem das nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerium, das sehr wohl um den Standortfaktor Pop wisse und genüsslich dem Berliner Neo-Zentralismus eins auswischen wolle.
Der Reihe nach. »Schuld« an dem Kölner Vorstoß hat zunächst die Popkomm selber. In den letzten Wochen wird es Brancheninsidern gedämmert haben, dass es mit Messe-Relaunch in Berlin nicht sehr weit her sein konnte. Der Plattenindustrie geht es weiter dramatisch schlecht, nach wie vor werden Mitarbeiter entlassen, werden weniger Anzeigen in den Musikzeitungen geschaltet. Eine Major-Plattenfirma wird es wohl in den nächsten Jahren dahinraffen, eine Besserung der wirtschaftlichen Lage in 2004 ist nicht zu erwarten. Hinzukommt, dass eine Menge Berliner Veranstalter schon jetzt über die Starrheit und Ignoranz der Popkomm maulen und keine Lust haben, an dem Spektakel teilzunehmen. Last not least: Bertelsmann (BMG) wird nicht an der Messe teilnehmen. Einiges spricht dafür, dass die Berliner Popkomm, die erst Anfang Oktober 2004 an den Start geht, eine Totgeburt sein wird.
Das Konzept einer neuen Popmesse in Köln, ausgeheckt von einem Think Tank der Arbeitsgemeinschaft »Musik in Köln«, spricht deshalb auch gar nicht von einer Musikmesse , sondern skizziert das Szenario einer Entertainmentmesse. Ihre These lautet: Die große Musikindustrie wird es in ein paar Jahren nicht mehr geben,
sie wird aufgelöst in einem größeren Zusammenhang popkultureller Events und Vermarktungsstrategien. Gameshows, Video- und Computerspiele und andere zeitgemäße Vergnügungen laufen dem Konsum von CDs den Rang ab. Popmusik hat im Mainstream nur dann eine Chance, wenn sie im Verbund mit anderen Medien erscheint. Die neue Messe, Arbeitstitel »Musik und Media«, soll diesen Prozess reflektieren und – als Mittler zwischen den unterschiedlichen Kulturindustrien – katalysieren.
Organisatorisch unabhängig davon ist und bleibt das Ringfest, das seinen angestammten Termin an einem der mittleren Augustwochenenden behält. Auch hier hört man neue Signale: Es soll »entballermannisiert« werden, solider bis gehobener Mainstream statt Rumtata. Man darf gespannt sein.
Ebenfalls organisatorisch – und natürlich auch inhaltlich – unabhängig ist das Musikfestival. »c/o Pop – cologne on pop«, wird es heißen, federführend an der Konzeption sind vor allem Ralph Christoph (Programmleitung), Norbert Oberhaus (Marketing und Geschäftsführung), Sebastian Tautkus (er hat den Festivalnamen entwickelt), Jochen Tiffe vom Prime Club und als Berater Reiner Michalke und Manfred Post beteiligt.
Sie wollen ihr Festival nicht als Nachfolgeveranstaltung begriffen wissen. Im Gegenteil, es hätte auch stattgefunden, wäre die Popkomm in Köln geblieben. Ralph Christoph und Norbert Oberhaus wollen sich auf das konzentrieren, was Köln in den letzten zehn Jahren als Musikstadt weltbekannt gemacht hat: die elektronische Musik zwischen Techno (Kompakt) und Popavantgarde (a-Musik). »Die Popkomm hatte uns signalisiert, dass elektronische Musik für sie kein großes Thema mehr ist, und dass sie die Clubs der Stadt wie z.B. das Studio 672 nicht mehr bespielen wollte«, führt Oberhaus aus, »da war uns klar, dass wir unsere musikalische Linie selber vertreten müssen.«
Christoph bemängelt zudem, dass die Popkomm immer stärker eine Programmpolitik verfolgt habe, die den einzelnen Veranstaltern vorschrieb, welche Acts sie zu buchen hatten. Dagegen favorisiert Christoph eine Programmgestaltung, die eher zwischen den Clubs moderiert und die spezifischen Stärken etwa dem vom Subway oder dem Gebäude 9 stärken will. Dementsprechend offen will er auch seinen Begriff von elektronischer Musik halten: »Es hört sich vielleicht abgedroschen an: So weit wie möglich, so eng wie nötig. Reggae gehört für mich dazu, es gibt Singer/Songwriter, die digital arbeiten, die gehören für mich auch dazu. Punkrock oder Retrorock dagegen weniger. Damit will ich nichts gegen diese Stile gesagt haben, es gibt auch da fließende Übergänge zur Elektronik. Grundsätzlich ist es aber so, dass wir uns erst mal auf das beschränken, womit wir uns die letzten Jahre intensiv auseinandergesetzt haben. Das ist nun mal elektronische Musik.«
Auch »c/o Pop« wird am dritten Augustwochenende (20. – 22.8.) im Tanzbrunnen und in den alten Messehallen stattfinden – aber nicht nur. Das Festival hat, so Sebastian Tautkus, einen »modularen Aufbau. Es bezieht gewachsene Strukturen mit ein«. Soll heißen: Das SOMA-Festival (erstes Wochenende) und der Electro-Bunker (zweites Wochenende), zwei renommierte Sommerveranstaltungen, werden autonome Bestandteile des Festivals sein. Außerdem ist noch eine Clubnacht am zweiten oder dritten Wochenende geplant in Zusammenarbeit mit bislang sieben Kölner Clubs.
Bleibt noch darauf hinzuweisen, dass »c/o pop« die Rheinstrecke vom Jugendpark im Norden bis zu den Poller Wiesen im Süden bespielen will. An welchem Fluss flanieren im Oktober eigentlich die Berliner?