Zitate von Zitaten

The Rapture haben das Zeug, den Hype um die Neo-Rock- und Post-Wave-Bands aus New York zu überstehen

 

Das letzte Jahr ist ein Rock-Jahr gewesen. In den Jahrescharts der Musikmagazine rangelten sich die Strokes und die White Stripes um die obersten Plätze. Zugleich ist es aber auch ein Rock-Jahr der zweiten Stunde gewesen, geprägt vom bloß gedämpft euphorischen Abwarten auf Platten von Bands, denen der Hype längst eingeschrieben war. Der eigentliche Knall hatte in den Jahren zuvor stattgefunden. 2003 lieferte diesbezüglich nur ein leichtes Nachzischen. Man konnte schon darauf warten, wann die Hülsen des effektvoll gestarteten Feuerwerks mit hohlem Klang auf dem Boden aufschlagen würden.

Bislang ist die große Ernüchterung ausgeblieben. Aber vielleicht verschafft 2004 ein wenig Distanz gegenüber der Verheißung, die rund um das Gemenge aus Neo-Garage, Electroclash und Post-No-Wave aus-, aber nicht immer eingelöst wurde. Obwohl die Post-11.9.-Traumata eigentlich langsam hätten ausgestanden sein müssen, sind die Verheißungen besonders beschworen worden, wenn die jeweilige Band aus New York kam. Vielleicht ist eine uneingestandene Angst gegenüber der Unüberschaubarkeit jener Prozesse, die unter dem Namen Globalisierung gefasst werden, der Grund dafür, dass sich die Rockwelt krampfhaft an New York als Weltmetropole klammert, um sich so einer alten Ordnung vergewissern zu können, die umso älter und ordentlicher klingt, je stärker sich die neuen Bands auf vertraute Big-Apple-Größen beziehen. »Noch ist es ein Vorteil, als Band aus New York zu stammen«, erklärten The Liars erst vor kurzem im Interview, »doch das kann sich schnell wenden und einem Überdruss weichen.«

The Rapture kommen ebenfalls aus New York und haben diesen Bonus im letzten Jahr zu spüren bekommen. Als die Musiker Mitte 1999 von San Francisco nach New York zogen, hatte die Band schon mehrere Besetzungswechsel hinter sich und zudem eine klare Vorstellung von ihrem ganz speziellen Sound. Im Gegensatz zur Strokes-Mania setzte ihr Erfolg also erst fünf Jahre nach Bandgründung ein, begünstigt durch die Hipness eines Stils, mit dem sie vor wenigen Jahren noch gegen Wände anspielten.

Ein Missverhältnis machen The Rapture damit erst einmal ziemlich sympathisch: Obwohl ihr Mix aus Dance, (New oder No)Wave und Rock wie nichts anderes den derzeit gehypten New-York-Crossover verkörpert, sind sie eher durch Zufall in diesen Erfolg geschlittert. Genauer gesagt über mehrere Hakenschläge, die sie von den Labels Gravity über Sub Pop in die Arme von James Murphy, dem Mitbegründer der angesagten DFA Studios, führten. Als Band, die es nicht darauf abgesehen hat, auf jenen Zug aufzuspringen, in dessen Abteilen alle Passagiere behaupten, schon 1978 Gang Of Four gehört zu haben, sind sie von der Wave-Hausse ebenso genervt wie ihre Kollegen The Liars. In Interviews werden The Rapture daher nicht müde, die absurdesten Einflüsse von Eurodisco bis Bee Gees zu nennen, um möglichst von den ständig in ihrem Zusammenhang zitierten Namen wie PIL, The Cure und Joy Division abzulenken.

Was aber war das Besondere an »Echoes«, jener Platte, die The Rapture im letzten Jahr zum Durchbruch verholfen hatte? Vor allem, dass ihre Musik zwar durchgängig rockte, aber von Zitaten durchdrungen war, die in die unterschiedlichsten Richtungen verwiesen. Disco und Pop, Punk und Emo, Funk und Glam, aber auch New Romantic und Neo-Gothic. Kann so etwas überhaupt gut gehen? Wenn, dann nur dank jener Inkongruenz, aufgrund derer sich die allzu eindeutigen Bezüge gegenseitig relativieren. Wenngleich all das nichts mit Ironie zu tun hat: The Rapture meinen alles ernst, so ernst, wie Rock nun mal wirkungspsychologisch funktioniert.

Auch die Strokes, könnte man einwenden, funktionieren ganz direkt und ohne doppelten Boden als Rock, obwohl alles an ihnen »geklaut« ist. Die Strokes geben sich jedoch ganz an die (vielleicht auch nur imaginierte) naive und ungetrübte Epoche des Rock hin, indem sie deren Mangel an Selbstreflexion Eins zu Eins übernehmen. Eine Band wie The Strokes hätte es schon vor zehn, zwanzig oder dreißig Jahren geben können, eine Band wie The Rapture nicht.

Bei Hypes macht sich fast niemand die Mühe, einen genauen Blick auf das musikalische Material zu werfen. Im Fall von The Rapture war Diedrich Diederichsen eine der wenigen Ausnahmen. Sein taz-Artikel beschäftigte sich ausgiebig mit der Frage, warum leidenschaftlicher Rock bei The Rapture plötzlich wieder erträglich klingt. Das zitierte Ausgangsmaterial ihrer Musik, lautete einer seiner Schlüsse, sei »von starken Zweifeln an der Möglichkeit des Authentischen schon angekränkelt« gewesen. Wer also PIL und Gang Of Four zitiert, kann gar nicht so ohne weiteres »rockistisch« werden.

Und doch unterscheiden sich The Rapture wiederum von New Yorker Kollegen wie Radio 4 und Interpol, die sich ebenfalls vorwiegend auf die Zeit zwischen 1978 und 1982 beziehen. The Rapture sind chaotischer, unstrukturierter, erschöpfen sich nicht in Erinnerungsarbeit. Selbst wenn es bei ihnen fast schon unerträglich pathetisch wird und Glam sich in Dark Wave zu verirren droht, darf man auf die unerwartete Wendung hoffen, die das soeben Zitierte ausbremst. Inmitten der Trümmer, gerade mal lose zusammengehalten von pumpendem Funk, schmalzigem Klavier, kratziger Gitarre und einem ängstlich tapsenden Gesang, wird deutlich, dass der Begriff Postrock viel zu früh erfunden worden war. Erst jetzt mag man ihn bedenkenlos auf eine Band wie The Rapture anwenden.

Man möchte ihnen raten, nach San Francisco zurückzuziehen, um dort den Kater zu überwintern, der sich einstellen wird, wenn sich die New-York-Euphorie in Überdruss gewandelt hat. Gegenüber all jenen Adepten der 80er Jahre klingen The Rapture jedenfalls viel zu unkalkuliert, als dass sie es verdient hätten, demnächst fallen gelassen zu werden.


The Rapture spielen am 16.2., 21 Uhr, im Gebäude 9. Ihr Album »Echoes« ist über Output/Rough Trade/
Zomba erhältlich.