Foto: Manfred Wegener

Wer geht für die Partei nach Berlin?

Kölner SPD streitet um Bundestagskandidaturen

Jochen Ott, 26-jähriger SPD-Chef ist »ein bißchen traurig«. In seiner Partei wird »negativ über eine Kandidatin geredet«. Lale Akgün, 47, Leiterin des Solinger Landesamtes für Zuwanderung, soll sich auf seinen Wunsch hin im Wahlkreis Lindenthal/Rodenkirchen/Südstadt um ein Bundestagsmandat bewerben. Doch hier kandidiert schon die langjährige Ratsfrau Alice Gneipelt, 49. Der Ortsverein Klettenberg reagiert öffentlich erbost: Man habe, so dessen Vorsitzender Alexander Fladerer, 28, Akgün »noch nie gesehen«. Von ihr sei »nicht der geringste Einsatz für die Wählerinnen und Wähler sowie die vielen ehrenamtlichen Wahlkämpfer vor Ort zu erwarten, sondern nur ein ununterbrochener vierjähriger Berlinaufenthalt«.

Wahlkreisverbundenheit contra Quereinstieg

Sogenannte »Quereinsteiger« gelten seit einiger Zeit in der Partei als erfolgsträchtig. SPD-Generalsekretär Franz Müntefering warb schriftlich für Kandidaturen »von außen«. Die Kölner SPD entschied sich dagegen. Man wolle aber, so Ott, »eine neue Definition von Parteiarbeit diskutieren«. Gewerkschafterin Gneipelt, die ihre Konkurrentin »einmal in der Bahn getroffen« hat, ist seit 27 Jahren in der Kölner SPD aktiv, seit 1989 im Rat, und wirtschaftspolitische Sprecherin ihrer Fraktion. Sie findet ihre »Verbundenheit mit dem Wahlkreis und der Partei besonders wichtig«. Lale Akgün – gebürtige Türkin, seit ihrem neunten Lebensjahr in Deutschland und seit 1982 Parteimitglied – macht hingegen keinen Hehl daraus, dass sie ihren Ortsverein Braunsfeld nicht kennt. Die promovierte Psychologin: »Ich habe den Schwerpunkt meiner politischen Arbeit in der Sozial-, der Gesundheits- und der Migrationspolitik.« Sie setzt auf ihre berufliche »Erfahrung und Fachlichkeit«. Ihre Biografie als Migrantin will sie aber nur »in zweiter Linie« einbringen. Für Ott freilich ist diese ein starkes Argument. Gerade in Köln sei es »angemessen, das nicht nur über Migrationspolitik geredet wird, sondern Taten folgen«.

Innerparteiliche Debatte

Wie heikel es ist, die Kandidatur einer Migrantin zu kritisieren, hat Alexander Fladerer erfahren. Namentlich in der NRZ und der Kölnischen Rundschau entdeckte er einen »umgekehrten Rassismus«. Ihm wurde indirekt unterstellt, er sei wegen deren nicht deutscher Geburt gegen die Kandidatur von Lale Akgün. Offensichtlich sei es nicht möglich, so Fladerer, die Qualifikation einer Kandidatin zu bezweifeln, ohne in eine Ecke zu geraten, in die man nicht gehört. Ihm sei Akgüns ethnischer Hintergrund »völlig egal«. Er und seine GenossInnen freuen sich aber, dass »die innerparteiliche Debatte, die wir wollten, nun in Gang ist«.

Parteigemunkel

Was oder wer hinter der unvorbereiteten Bewerbung Akgüns, die im Juni in den Unterbezirksvorstand gewählt wurde, steckt, ist jedoch eher Gegenstand von Gemunkel. Akgün selber spricht von einem »Prozess, in dem sich was entwickelt hat«. Einige Sozialdemokraten vermuten, dass der junge Parteichef sich mit der Unterstützung einer »ambitionierten Quereinsteigerin« als durchsetzungsfähig profilieren will. Andere sehen die Landespartei als Strippenzieherin, weil man glaube, so ein Insider, Akgün »sei wegen ihrer fehlenden Parteibasis leichter zu handhaben«. Dass zwei Frauen gegeneinander antreten, stellt für beide Kandidatinnen nicht das Problem dar: »Hochdemokratisch und normal« findet das Akgün, einen »offenen, transparenten und fairen« Wettstreit wünscht Gneipelt. Parteikenner indes befürchten das Gegenteil, schließlich »soll der Parteivorsitzende nicht beschädigt werden«. Ott selber findet beide gut: »Ob eine Migrantin, die mit ihrer Arbeit sozialdemokratische Grundwerte vertritt oder eine gestandene kommunale Wirtschaftspolitikerin nach Berlin gehen, entscheidet die Mitgliedschaft. Und darauf sind wir stolz.«

15 Minuten für die Basis

In neun partei- und presseöffentlichen Stadtbezirkskonferenzen müssen sich alle BundestagskandidatInnen in »striktens« einzuhaltenden 15 Minuten der Basis präsentieren und den Fragen des Parteivolks stellen. Zwischen dem 22. und 26. Oktober sind in Lindenthal, Rodenkirchen und der Südstadt Gneipelt und Akgün dran. Am 10. Dezember entscheidet der Unterbezirksparteitag.