Auf die Mütze

Der WDR bekommt derzeit viel Prügel. Die Kritiker beklagen eine Verflachung des Programmprofils

Glücklich sein heißt ohne Schrecken seiner selbst innewerden können, formulierte einst Walter Benjamin trefflich. Groß muss das Unglück zuletzt gewesen sein beim hiesigen WDR, als sich die Belegschaft beim Fernsehkonsum wieder mal ins eigene Programm vertiefte: In einer öffentlichen Resolution kritisierte die Redakteurs-Vertretung der größten europäischen Rundfunkanstalt Anfang Februar die zunehmende Verflachung und Banalisierung des ARD-Programms – und forderte eine Kurskorrektur, um das Programm und damit das Ansehen der ARD nachhaltig zu verbessern. Die Quote, so der Appell, dürfe nicht das wichtigste Erfolgskriterium sein. Vielmehr solle die ARD »den Anspruch an sich selbst erheben, bei wichtigen Themen um die Meinungsführerschaft in der Gesellschaft zu ringen.«

Redakteure sind unzufrieden

Nun brennt die Bude doch ganz ordentlich. Was zuvor allerhöchstens die Zuschauer verärgerte, scheint nun zunehmend auch eine Kluft zwischen den Angestellten und der Führung des Senders zu bilden. Während WDR-Chef Fritz Pleitgen in betulichen Reisefilmchen fellmützig durch Erzgebirge und Thüringer Wald wandert und sich in seinem Programm sichtlich wohlfühlt, finden sich die Redakteure immer weniger wieder in dem Bild, das WDR und ARD nach außen bieten. Zuletzt schmiss Gert Monheim, der Leiter der vielfach ausgezeichneten Doku-Sendereihe »die story«, die Brocken hin, als bekannt wurde, dass Teile seines Budgets künftig auch von anderen Redaktionen beansprucht werden könnten.

Schnelle Anpassung ans Privatfernsehen

Seitdem geht es hin und her. Entrüstet dementiert der WDR: Künftig hätten eben nur viel mehr Autorinnen und Autoren Gelegenheit, Dokumentationen für den WDR zu produzieren. Die Vielfalt, so der WDR, folge auf dem Fuß, und das sei schließlich ein Fortschritt. Und überhaupt stünden für besondere Fälle immer auch Sondermittel aus dem Etat des Direktors zur Verfügung. »Leichtere« Produkte, befürchten dagegen die Kritiker, würden künftig gegenüber engagierten, zeitkritischen Beiträgen bevorzugt produziert. Als Buhmann muss WDR-Chefredakteur Jörg Schönenborn herhalten, dem nachgesagt wird, sperrige Stoffe nur allzu gern gegen Quotenträchtiges preiszugeben. Es drohe, so die Befürchtung, eine beschleunigte Anpassung in Inhalt und Form an das Privatfernsehen. »Was wir brauchen, ist eine klare öffentlich-rechtliche Alternative – nicht nur in Spartenkanälen und nach Mitternacht, sondern als fester Bestandteil eines Hauptprogramms«, meldete sich dann auch die Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilmer (AG Dok) in einem öffentlichen Brief an WDR-Chef Fritz Pleitgen zu Wort. Auch der Verband sieht die Tendenz des WDR, »gerade in den Kernbereichen des öffentlich-rechtlichen Programmprofils zu sparen – dort, wo ohnehin schon seit Jahren am billigsten produziert wird.« Wir empfehlen: Mal wieder was mit dem Chef drehen, vielleicht was Beschauliches, gerne im Osten – dann klappt’s auch mit den Sondermitteln.

WDR teilweise unter Lokalmedienniveau

Wenn wenigstens an anderer Front was Maßgebliches rausspränge. Doch die Programmstruktur des WDR ist porös, lässt kaum echtes Profil erkennen – wenig Abglanz seiner kritisch-aufklärerischen Vorzeit, wenig frisch Unterhaltsames. Und auch die Tugenden eines vollwertigen Regionalprogramms, wie es einer öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalt gut zu Gesicht stünde, verblassen zusehends. So bekam das so genannte Metropolenfernsehen des WDR in einer wissenschaftlichen Studie erneut schlechte Noten. In der Untersuchung »Strukturen und Angebote lokaler Medien in Nordrhein-Westfalen« attestieren die Forscher Ulrich Pätzold, Horst Röper und Helmut Voipers dem WDR-Programm »insgesamt eine schwache Leistung« gegenüber konkurrierenden lokalen Medien. Festgestellt wurde, dass sowohl Lokalradio als auch Lokalfernsehen des WDR kaum eigene publizistische Akzente setzten, sondern vielmehr in neuer Form abbildeten, was durch Pressemeldungen oder -konferenzen sowie Zeitungsberichte ohnehin auf die Medienagenda gelange. Impulse für die publizistische Vielfalt gibt es kaum. So liege der Anteil der Exklusivberichterstattung teilweise noch unter dem der lokalen Anzeigenblätter. Selbst in puncto Präzision und Ausgewogenheit wurde das öffentlich-rechtliche Stadtfernsehen des WDR schwächer eingestuft als die meisten anderen lokalen Medienangebote. Moniert wurde zudem eine starke Grundorientierung am Boulevardesken, von der sich vor allem der »WDRpunktKöln« trotz mehrfacher Kritik noch nicht gelöst habe.

Regionale Vielfalt fehlt

Überhaupt scheint das Regionalkorsett des WDR nicht recht zu sitzen: Wer sich beispielsweise im Kölner Westen zum Kölner Erstliga-Basketball bei Rhein-Energy Cologne einfindet, sieht zwar großen Sport vor lebhafter Kulisse, wird sich aber häufig über die Abwesenheit von TV-Kameras wundern müssen. Wer, wenn nicht der hiesige WDR, hätte dafür Sorge zu tragen, dass hochklassiger Heimatsport, Trendsport zumal, auf den Schirm kommt. Stattdessen regiert das Superstar-Phänomen: Es gibt vor allem Fußball, notfalls bis zur Regionalliga.
Dass der Laden aber insgesamt doch noch einigermaßen intakt ist, das zeigte jetzt das Aufbegehren der Redakteure. Nun muss die WDR-Senderleitung ran. Mütze ab, Fritze, und Machtwort sprechen – und zwar das richtige!