Kunst in die Stadtgespräche schleusen

Zwischenbilanz Kölnischer Kunstverein: Nach Umzug und Umbau ist jetzt das neue Domizil »Brücke« dauerhaft gesichert und Direktorin Kathrin Rhomberg kann sich verstärkt der Programmarbeit widmen.

StadtRevue: »Scharfgestellt«: Was ist nun mit dem Kunstverein? Der Mietvertrag ist klar, die Budgetunsicherheit scheint vorerst überwunden und der Einzug ist im Groben geschafft ...

Kathrin Rhomberg: Die Zukunft des Kunstvereins ist durch den Ratsbeschluss vom 12. Februar weitgehend gesichert: Der Mietvertrag für die »Brücke« zwischen der Stadt Köln und dem Kunstverein weist eine Laufzeit von 30 Jahren auf. Wir sind also endlich wieder in der Lage, längerfristig vorausplanen zu können. Die Budgetunsicherheit ist damit allerdings noch nicht überwunden, da wir etwa für das laufende Jahr noch keine feste Subventionszusage der Stadt haben. 100.000 Euro für 2003 wurden erst letzten Herbst genehmigt und sind immer noch nicht in Gänze eingegangen. Der selbe Betrag ist für 2004 in Aussicht gestellt, was aber noch alle zuständigen Gremien positiv durchlaufen muss. D.h. wenn alles klappt, werden wir wieder circa 550.000 Euro selbst durch Beiträge, Sponsoren und andere Leistungen erwirken müssen. Dort hin geht weit mehr als die Hälfte aller unserer Kraft.

Wie hart das werden würde in Köln war nicht zu erwarten? Was war das für eine Gemengelage, die Sie hier in einen kritischen Start zwang?

Bei dem, womit ich mich im Kunstverein zuallererst konfrontiert sah, als ich vor zwei Jahren kam, handelte es sich vor allem um die dringende institutionelle Sicherstellung der Zukunft des Kunstvereins. Fragen der Programmgestaltung, wie sie üblicherweise im Mittelpunkt der Arbeit jeden Kunstvereinsleiters stehen, mussten angesichts der prekären Situation rund um den Abriss des alten Kunstvereinsgebäudes und des nicht gewährleisteten Neubaus des Kulturzentrums am Haubrichhof vorerst zurückstehen. Die dringlichste Aufgabe bestand also darin, einen Ort für den Kunstverein im Zentrum der Stadt zu finden, an dem er gegebenenfalls auch für lange Zeit bleiben konnte. Was uns nun mit dem Mietvertrag für die »Brücke« gegen alle Widerstände auch gelungen ist.

Es gab auch einen klaren Programmunterschied. Sie arbeiten mehr thematisch, das Hauptthema ist Migration, die auch ein Schwerpunkt der städtischen Bewerbung zur Kulturhauptstadt sein soll. Der Kunstverein liegt also hier programmatisch vorne. Gibt es eine gemeinsame Strategie?

Die Entscheidung für eine öffentliche Auseinandersetzung mit dieser Thematik hat nahe gelegen für eine Institution wie den Kunstverein, der antritt, Wirklichkeit durch die zeitgenössische Kunst erfahrbar zu machen. Die Vortragsreihe zur aktuellen Architektur beleuchtet z.B. das Phänomen der zunehmenden Teil- und Unsesshaftigkeit und die damit eintretenden Veränderungen in unseren Städten. Migration ist aber keineswegs das Hauptthema des Kunstvereins: Die Vorträge und Kinoreihen zum Thema sollen lediglich auf die große Ausstellung 2005 vorbereiten, die gemeinsam mit DOMiT (Dokumentationszentrum und Museum über die Migration aus der Türkei e.V.) und dem Kulturanthropologischen Institut der Universität Frankfurt erarbeitet und an verschiedenen Orten der Stadt Köln gezeigt wird. Sollte Migration tatsächlich thematischer Schwerpunkt der Bewerbung Kölns als europäische Kulturhauptstadt sein, könnte das mehrjährige Projekt des Kölnischen Kunstvereins, das von der Kulturstiftung des Bundes gefördert wird, eine bedeutsame Vorbereitung dafür darstellen. Bislang gibt es aber noch keine Pläne für eine diesbezügliche Kooperation.

Sie wollten anfänglich eine enge Vernetzung zu den verschiedenen Initiativen in der Stadt. Das hat gewisse Erwartungen geweckt. War das möglich, gibt es noch Defizite?

Wo Vernetzungen gelingen, passieren sie meist unspektakulär. Vernetzungen generieren Transfers von Interessen, Wissen und Zugängen; in den besten Fällen lassen sie Projekte entstehen, die einzelnen Institutionen allein nicht möglich wären. Zuletzt ist es etwa in einer Kooperation von Kunstverein und Imhoff Stiftung gelungen, 20 mietfreie Künstlerarbeitsräume für junge in Köln lebende Künstler und Kulturschaffende in der »Brücke« und im Schokolademuseum zu schaffen. Sie wurden von einer internationalen Jury vergeben und sind ab Juli beziehbar. Damit werden Zeichen gesetzt, dass junge Künstler hier erwünscht sind und bleiben sollen. Die Ateliernutzung stellt allerdings auch eine Alternative zur restlosen Kommerzialisierung der Innenstädte dar.

Wie ist das mit dem Klüngel? Sie haben sich heraus halten wollen. Hat sich das ausgezahlt? Wie sieht es aus mit der Akzeptanz und Resonanz in der Stadt und in der Szene?

Das Programm des Kunstvereins versucht nicht mit allen Mitteln spektakulär zu sein. Mich interessiert vielmehr, nachhaltig ein differenziertes Verständnis für die Kunst und die Zeit, in deren Zeitgenossenschaft sie entsteht, zu fördern. Die damit einhergehende Zurückhaltung in der Programmgestaltung wird hoffentlich auf lange Sicht Anerkennung finden.

Ihr beabsichtigtes Alleinstellungsmerkmal für das Programm des Kunstvereins ist es, Themen durch Kunst in die Stadtgespräche zu platzieren: Migration, Stadturbanität, gesellschaftlich orientierte Diskurse. Was werden Sie nun auf den Weg bringen?

Nach Ann-Sofi Sidén zeigen wir den jungen slowakischen Künstler Roman Ondák, danach eine Gruppenausstellung, die einen Einblick in junge Kunst aus Deutschland geben will, und anschließend eine große Einzelausstellung der Kölner Künstlerin Cosima von Bonin. Begleitend dazu wird es weitere Vorträge zum Thema Architektur, Kunst und Migration geben sowie Filmreihen, kuratiert von Diedrich Diederichsen, Slavoi Zizek und Jutta Koether.

Gibt es einen Arbeitstitel für die Ausstellung zur jungen deutschen Kunst? Wird Gesellschaftsbezogenheit eine Klammer darstellen?

1998 konnte ich zu einer europäisch orientierten Ausstellung unter anderen Jonathan Meese, John Bock und Sean Snyder einladen, die damals noch wenigen bekannt waren. Ähnlich wird es auch in der kommenden Gruppenausstellung in erster Linie um die Frage nach den gegenwärtig aktuellen Tendenzen junger künstlerischer Positionen in Deutschland gehen, die zukunftsweisend sein könnten und in der Kunstöffentlichkeit noch nicht etabliert sind. Der Verzicht auf eine vorab festgeschriebene »thematische Klammer« ist Teil des Ausstellungskonzepts. Es sollen damit unterschiedliche Positionen berücksichtigt werden können, deren gemeinsame Ausstellung eine Diskussion über Übereinstimmungen und Differenzen möglich macht.

Was sind die häufigsten Fragen an Sie im Moment?

Am häufigsten werde ich gefragt, was Migration mit Kunst zu tun habe.