Gartenarbeit

Eine Birke spiegeln, das Feld des Absurden bestellen: Von Mai bis September findet zum zweiten Mal das Projekt »Privatgrün« statt

 

>?Seit 25 Jahren kuratiert Jochen Heufelder ambitionierte Ausstellungen in der Fuhrwerkswaage. Er arbeitet daran, die in mancherlei Hinsicht phlegmatischen Stadtbewohner in das mit Straßenbahn und Fahrrad gut erreichbare Sürth zu locken. Mit der zweiten Auflage von »Privatgrün« – die erste Ausstellung fand 1994 statt – sollte das gelingen. Kunst wird bei diesem dreiteiligen Projekt nicht im öffentlichen Raum, sondern in der Privatsphäre üblicherweise nicht zugänglicher Orte gezeigt: 55 skulpturale Eingriffe und Interventionen sind das Ergebnis künstlerischer Auseinandersetzung mit sehr spezifischen, vom Geschmack der Eigentümer geprägten Situationen.
Part One, den Arbeiten in Sürther Privatgärten, folgen im Juli Projekte in Rodenkirchener Schrebergärten der Kleingartenkolonie »Sonnenhang« und im September auf Dachterrassen in der Kölner Südstadt rund um den Chlodwigplatz – auch hier werden 18 Künstler den Kölner Kunstbetrieb durch temporäre Kunstorte ergänzen. So nähert sich das Ausstellungskonzept dem Stadtzentrum immer mehr, aber zunächst muss dringend ein Besuch in Sürth empfohlen werden.

Das Schicksal aller Gärten

Die Ausstellungen finden 2004 an neuen Orten statt, kein Künstler 1994 ist ein zweites Mal dabei. Erneut hat sich Jochen Heufelder für eine Mischung bekannter und weniger etablierter Künstler entschieden, alle Orte wurden durch den Kurator, der auf seine lange Erfahrung verweist, vorbestimmt. Der Spielraum jedoch, der den Künstlern bleibt, ist groß. Und sie nutzen ihn, wie man an den unterschiedlichen Konzeptionen bereits erkennen kann. Immer sind die entstehenden Arbeiten ortsbezogen und funktionieren an der geplanten Stelle ideal, von Clemens Weiss’ Schiffswrack, das auf den Rhein blickt, bis hin zum Hochsitz auf dem Dach des Ex-Bundesinnenministers Gerhart Baum von Ilya und Emilia Kabakov, der es erlaubt, die Nachbarschaft gründlich zu observieren.
Für den Mai-Spaziergang durch Sürth sollte man mindestens zwei Stunden einplanen. Dann kann man entdecken, wie Robert Schad die Form einer Birke in seiner monumental-filigranen Eisenstahlkonstruktion spiegelt, oder Barbara Nemitz eine konventionelle Umgebung mit viel Freifläche durch eine ornamentale Stickerei in ein sinnliches Broderie-Parterre verwandelt. Diese Arbeit, »Das Feld des Absurden bestellen«, bietet eine ebenso absurde wie gewissenhaft und in Harmonie mit vorhandenen Strukturen ausgeführte Verschönerung ohne Sentimentalität, die Veränderung reflektiert – das Schicksal aller Gärten. Innerhalb recht kurzer Zeit werden die farbigen Fäden von der Vegetation überwuchert und es bleibt nur die Erinnerung.
Nicht alle Eingriffe sind behutsam: Die sieben Tonnen schwere Lärmschutzwand von Manuel Franke greift ein Element aus der Umgebung auf und verwandelt es in ein Bild mit Kirschbäumen, die davor wachsen. An Tazro Niscimos etwa vier Meter hohem Fujiyama aus Textilgewebe kommt man nicht mehr vorbei in den eigentlichen Gartenbereich, wird allerdings belohnt durch Spiegelungen des legendären japanischen Pilgerbergs im danebenliegenden Fischteich. So künstlich der kräftig-farbene Berg wirkt: durch diese Spiegelung wird er eingebunden in die vorhandene »Kulturlandschaft«, und vielleicht blüht im Mai sogar noch ein heimischer Obstbaum und weckt fremde Kirschblütenträume.

Die Luft ist ein Plumeau

Wie eng die Zusammenarbeit an privatem Ort werden kann, zeigt die Installation von Harry Hauck. Der mit seinen pneumatischen Objekten aus Gummi bekannt gewordene Künstler hat neben zwei Buchsbäumchen, die er vor dem Pflanzen auf das Gewicht der Garteninhaber gestutzt hat, zwei schmale Bronzesäulen in Lebenshöhe mit Zitaten der beiden versehen, vorsichtige Formulierungen über ihr Verhältnis zur Natur:
»Ich liebe die Farben der Lärchen, das leichte gelb-grün«, oder »Ich hab auch schon gesagt, die Luft
ist wie ein Plumeau«. So bleibt nachvollziehbar, welche Funktion der Garten für seine Bewohner
hat und Hauck setzt ihnen ein Denkmal, das im Laufe der Zeit ebenfalls vom Buchsbaum umfangen wird und nur noch in der Erinnerung existiert.
Gärten sind Beleg für den Wunsch nach Naturnähe im städtischen Raum, Zufluchtsort ins private Idyll und Spielplatz häufig konventionalisierter Individualität, ebenso wie die im folgenden geöffneten Schreber- und Dachgärten. Sie haben immer schon viel über ästhetische Moden, persönliche Bedürfnisse und das Verhältnis der Menschen zur Natur verraten. Bleibt zu hoffen, dass einige der Interventionen an ihrem Ort bleiben dürfen und der Ausstellung ein ähnlicher Erfolg beschieden sein wird, wie einst Jan Hoets »Chambres d’amis«, die Privatwohnungen für ein (Kunst)publikum öffnete. Beim Streifzug durch die »Privatgrün«-Gärten, in denen Kunst und Natur aufeinandertreffen, sieht man beides auf einmal mit anderen Augen.

AUSSTELLUNG:
I. Hausgärten: 2.5.-30.5. in 18 Hausgärten in Köln-Sürth, Eröffnung 2.5., 11 Uhr, Fuhrwerkswaage Kunstraum e.V. Öffnungszeiten: 2.5., 8./9.5., 15./16.5., 22./23.5., 29.-31.5. jeweils 13-18 Uhr und nach Anmeldung unter 02236-61049
Der Katalog erscheint am 30.4.2004.
II. Schrebergärten: 4.7.-1.8. in 18 Gärten und im Vereinsheim der Kleingartenkolonie »Sonnenhang« in Köln-Rodenkirchen, Schillingsrotter Str. 70, täglich 10-18 Uhr, Eröffnung 4.7., 11 Uhr, Fuhrwerkswaage Kunstraum e.V. (Katalog ab 2.7.)
III. Dachterrassen: 5.-26.9. auf 18 Dachterrassen in der Südstadt rund um den Chlodwigplatz, Öffnungszeiten: 5.9., 11./12.9., 18./19.9., 25./26.9. jeweils 13-18 Uhr u.n.V. Eröffnung: 5.9., 11 Uhr, Ort: N.N. (Katalog ab 3.9.)
Veranstaltungen im Mai
Sa., 15.5.
Vortrag: »Garten(t)räume – Bricolage meets Hyperindividualismus« (Bernd Kniess, Architekt und Stadtplaner, Köln)
16.30 Uhr, Fuhrwerkswaage Ausstellungsraum, Bergstr. 79, Sürth
So., 30.5
Öffentlicher Spaziergang mit Bertram Weisshaar durch Schrebergärten der schäl Sick bis zum Fuhrwerkswaage-Ausstellungsraum in Sürth. Startzeit und -ort stehen noch nicht fest (T. 02236-61049)
Lesung: Richard Reich aus »Das Gartencenter«
19 Uhr, Fuhrwerkswaage Ausstellungsraum, Bergstr. 79, Sürth