Auf Leben und Tod

Zwei Regisseure eine Idee: Mit »Aragami« und »2LDK«

bitten Ryuhei Kitamura und Yukihiko Tsutsumi zum Duell

So etwas nennt man wohl eine Schnapsidee. Aus Anlass des Cineasia-Filmfestivals befinden sich zwei jüngere japanische Regisseure in Köln und sitzen abends in der Hotelbar herum. Man kommt ins Gespräch, man trinkt. Man trinkt noch mehr. Und irgendwann macht der eine dem anderen den Vorschlag, eine Art filmisches Kräftemessen zu veranstalten: Jeder solle unter ähnlich beschränkten Produktionsbedingungen einen Film drehen, der auf engem Raum vom Kampf zweier Figuren auf Leben und Tod erzählt.
In den meisten Filmindustrien dieser Welt wäre solch ein Vorschlag bald vergessen, oder er würde vielleicht zu einer heimlichen Lieblingsschrulle des Initiators, die unrealisiert bliebe. In den USA oder in Europa sind jedenfalls sowohl die Produktionsbedingungen als auch die Distributionskanäle viel zu rigide, als dass man in ihnen Nischen für solche Projekte finden könnte. Und tatsächlich schien auch die besagte Schnapsidee zunächst in Vergessenheit zu geraten, bevor nach einigen Monaten der Ideengeber, Yukihiko Tsutumi, seinen Kollegen, Ryuhei Kitamura, plötzlich am Telefon fragte, ob der innerhalb von etwa einer Woche ein Drehbuch schreiben könne.
Ob die Sache mit der Wochenfrist wirklich stimmt oder, weil es in der Publicity gut klingt, ein bisschen übertrieben wurde, sei dahin gestellt. Tatsache ist, dass dieses »Duel Project« zweier Regisseure wohl nur unter den extrem flexiblen Bedingungen realisiert werden konnte, die in den vielfältigen Nischen der japanischen Filmindustrie gelten.

Zoff in der WG

Tsutsumis »2LDK« ist ein Film, der andernorts sicher nicht den Weg ins Kino gefunden hätte. Als »Duell zweier Frauen mit großen Brüsten« beschreibt der Regisseur sein Werk. Das klingt schmuddeliger als es ist, denn die beiden Hauptdarstellerinnen müssen nicht viel nackte Haut zeigen. Es handelt sich also nicht wirklich um Sexploitation – deftige Exploitation ist es aber allemal.
Im Zentrum stehen zwei Schauspielerinnen, die eine Wohnung teilen, den einzigen Schauplatz des Films. Beide haben für die Besetzung einer Filmrolle vorgesprochen, ihre Konkurrenz artet in der Nacht vor der Entscheidung in einen unerbittlichen Kampf bis aufs Blut aus. Ein Vorbild für diese Konstellation waren offensichtlich jene Sleaze-Formate, in denen sich zum männlichen Zuschauervergnügen verbiesterte Frauen in die Haare geraten. Die Drastik der Mittel, zu denen beide Protagonistinnen greifen, stammt aus dem Horrorbereich.
Im aktuellen westlichen Kino fällt allenfalls »Kill Bill« als Vergleich ein. Doch während Tarantino wie bei einer verqueren Greatest-Hits-Compilation einen Exploitation-Höhepunkt an den nächsten reiht, holt Tsutsumi aus einer einzigen Idee wirklich alles heraus, was sie hergibt. Dabei dynamisiert er die statische Situation mit extremen Weitwinkeln und Close-ups und gönnt den Protagonistinnen seines Cat-Fights zwar nicht gleich neun, aber doch mehr als ein Leben.

Ein Film aus einem fernen Land

Angesichts dieses wüsten Treibens ist umso überraschender, mit welcher Zurückhaltung Kitamura an die selbe Aufgabe herangegangen ist. Sein Film ist über weite Strecken eine Neuauflage klassischer japanischer Geisterfilme. Als ein Samurai nach einer blutigen Schlacht, in der er schwer verwundet wurde, in einem abgelegenen Kloster in den Bergen aufwacht, behauptet sein mysteriöser Retter, ein gefürchtetes Geisterwesen, der titelgebende »Aragami«, zu sein. Und weil er der Beinahe-Unsterblichkeit müde sei, fordert er den Samurai auf, ihn in einem Zweikampf zu töten.
Für die dominierenden statischen Tableaux, die überwiegend in tiefe Nachtschatten getaucht sind, nutzt Kitamura die ganze Breite der Leinwand. Erst gegen Ende gibt er diese beinahe klassizistische Form zugunsten abgezirkelter Kamerabewegungen und schneller Schnitte auf. Er könne doch zwei alte Männer im Stil von »Matrix« miteinander kämpfen lassen, hatte ursprünglich Tsutsumis Vorschlag an den Kollegen gelautet. Schön, dass der sich daran nicht gehalten hat, sondern einen Film gedreht hat, der seine strenge Eleganz wohl nur auf einer Leinwand entfalten kann. Umso schöner – und überhaupt keine Schnapsidee –, dass solch ein Film nun auch hierzulande im Kino zu sehen ist.

Info
Aragami (dto) J 03, R: Ryuhei Kitamura, D: Takao Osawa, Masaya Kato, Kanae Utoani, 80 Min. Start: 29.4. (Filmpalette)
2LDK (dto) J 02, R: Yukihiko Tsutsumi, D: Maho Nonami, Eiko Koike, Satoru Karasawa, 70 Min. Start: 13.5. (Off Broadway)