Foto: Herby Sachs/version

»Die Kraft ist uns ausgegangen«

Die Antifa Köln hat sich nach acht Jahren aufgelöst. Ein Gespräch mit

zwei ihrer Vertreter über alte Konzepte, neue Themen und kölsche Toleranz

StadtRevue: Gibt es in Köln keine Faschisten mehr?

Peter Dink*: Im Gegenteil. Die so genannte Bürgerbewegung Pro Köln ist vor rund anderthalb Jahren aus der Versenkung aufgetaucht. Die macht jetzt Kommunalwahlkampf...

...und die Antifa löst sich auf.

Boris Stackenforst*: Es ist doch klar, dass die ehemaligen Antifa-Leute weiter aktiv sein werden. Aber wir haben uns in den letzten Jahren von dem starren Fokus auf einen Kampf gegen Faschismus wegbewegt – ein Prozess den übrigens viele Gruppen durchlaufen haben. Zum anderen hat die Auflösung mit strukturellen Problemen in der Gruppe zu tun.

Dink: Es hat auch Leute gegeben, die lieber bei dem Schwerpunkt Antifa geblieben wären. Ich sehe das aber nicht als den Knackpunkt für das Scheitern. Es gab einfach auch normale Verschleißerscheinungen.

In Eurer Erklärung heißt es, viele von Euch hätten durch Beruf oder Studium weniger Zeit...

Stackenforst: Das haben viele falsch verstanden. Die Aussage war keineswegs: Wir haben jetzt alle ‘nen Job und hören deshalb auf, Politik zu machen. Viele sind schon lange im Beruf und dennoch aktiv. Nichtsdestotrotz kann das für Leute Ende zwanzig dann doch einen Umbruch bedeuten.

Ihr seid jetzt 31 und 40 Jahre. Hättet Ihr nicht rechtzeitig für junge Nachfolger sorgen müssen?

Dink: Wir hatten ja auch zeitweise neue Gruppen aufgebaut und betreut. Aber irgendwann ist uns dann auch die Kraft ausgegangen.

Stackenforst: Es ist auch gar nicht das Problem, mit Leuten in Kontakt zu kommen. Aber es ist sehr schwierig, die Leute für eine verbindliche, organisierte Arbeit zu gewinnen.

Was bleibt eigentlich übrig vom Konzept eines »revolutionären Antifaschismus«?

Stackenforst: Wenn das heißt, dass man über den Anti-Nazi-Kampf sozusagen hin zu einer revolutionären Perspektive kommt, so halte ich nicht mehr viel davon. Ich glaube nicht, dass man heute über den Kampf gegen Nazis zu einer radikalen Herrschafts- oder Kapitalismuskritik kommen kann. Man muss die Probleme direkt angehen, sich ganz konkret einmischen, etwa über die Soziale Frage.

Dink: Bis Ende der 90er Jahre war die Antifa-Arbeit für uns ein gutes Mittel, auf Leute zuzugehen. Viele Jugendliche haben sich darüber damals politisiert. Heute geschieht das eher über Themen wie Globalisierung oder Soziale Frage.

Wann ist Euch das bewusst geworden?

Stackenforst: Uns war spätestens 1999, 2000 klar, dass wir so nicht weiterkommen. Entscheidend war auch der so genannte Antifa-Sommer 2000, also die scheinbare Übernahme antifaschistischer Themen durch Rot-Grün – wenn auch nur für kurze Zeit. Das hat schon eine Sinnkrise ausgelöst. Hinzu kam, dass mit dem Aufkommen der Anti-Globalisierungsbewegung für viele etwas Neues, Interessantes passiert ist. Viele hatten auf so etwas gewartet.

Dink: Entscheidend waren sicher auch die Proteste 1999 in Seattle und 2001 in Genua – da haben viele von uns einen Hoffnungsschimmer gesehen, dass sich nach langen Jahren endlich etwas bewegt, dass grundsätzliche Fragestellungen auf den Tisch kommen.

Stackenforst: Antifaschismus als alleiniges Thema war oft auch ein Rückzug. Zumindest habe auch ich das so empfunden.

Und was waren Eure Erfolge?

Stackenforst: Ein Highlight war der 22. Mai 1999: Der geplante Nazi-Aufmarsch in Köln gegen die Wehrmachtsausstellung – einer der wenigen Aufmärsche in Deutschland die konsequent verhindert wurden. Auch im Anschluss haben wir eine für deutsche Verhältnisse sehr gute Bündnispolitik gemacht, ohne dabei in einer bürgerlichen Beliebigkeit unterzugehen. In den Jahren 1999 bis 2001 konnten wir auch sehr viele Jugendliche gegen diese Aufmärsche mobilisieren.

Dink: Aber auch weniger Spektakuläres sehe ich als Erfolg. Wir haben drei Jahre in der Alten Feuerwache die Veranstaltungskneipe Planet Antifa organisiert, mit einer Veranstaltung in der Woche. Das war immer gut besucht. Ein wichtiger Treffpunkt, der heute fehlt...

In Köln beruft man sich gern auf die so genannte kölsche Toleranz. Hat das Eure Arbeit nicht auch erleichtert?


Stackenforst: Ende der 90er Jahre haben wir sicher auch mal davon profitiert. Aber später hat sich das ins Gegenteil verkehrt. Es gab die berüchtigten Polizeiaktionen gegen Antifa-Demos, die weit über das hinausgingen, was in NRW sonst so üblich ist: Massenfestnahmen, Einkesselungen. Es ist keinesfalls so, dass man das Gefühl bekäme, dass sich Engagement auszahlt.

Dink: Und bei der Bündnis-Demo am 9. Dezember 2001, wo auch »Arsch huh!« mitgemacht hat, kippte das dann in so eine Kölschseligkeit, von wegen: Wir sind doch irgendwie alle gegen Rechts. Es ist schwer, als Antifa dagegen anzukommen und eigene, radikalere Positionen deutlich zu machen.

* Die Namen wurden auf Wunsch der Interviewpartner geändert.


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