Ruf ein Rad!

Fahrradfahren mit der Bahn: Die StadtRevue hat das neue DB-Angebot »Call a Bike« getestet

Die Idee ist simpel: Man kommt, sagen wir, aus dem Bahnhof, will aber ins Belgische Viertel. Zu diesem Zweck steht ein Fahrrad in der Gegend herum, das man zehn Minuten später wieder am Brüsseler Platz parkt. Dort findet es der Nächste, der gerade nach zwölf Kölsch um die Ecke kommt und das Auto doch lieber stehen lässt. Also her mit dem Rad – und ab in die Südstadt, wo gerade jemand überlegt, wie er am einfachsten zum Bahnhof kommt.

Menschen in Extremsituationen

Die Hauptfrage ist natürlich: Kann das klappen? Die simple Idee klingt allzu sehr nach Öko-Utopie. Hier hilft kein Glaube an das Gute im Menschen – hier muss ein knallhart kalkulierendes Unternehmen her, das Erfahrungen hat mit wirtschaftlichen Verlusten und dem Charakter von Menschen in Extremsituationen: die Deutsche Bahn.
Und die hat sich an die Arbeit gemacht: stabile Fahrräder mit noch stabileren Schlössern, ein raffiniertes Anmelde-, Abrechnungs- und Überwachungssystem via Handy, dazu ein marketingtauglicher Name (natürlich auf Englisch) – fertig ist »Call a Bike«, das »flächendeckende Mobilitätssystem für städtische Ballungsräume«, wie die Bahn im Werbedeutsch jubelt. »Die silberroten Fahrräder komplettieren die Reisekette im Vor- und Nachlauf zum Kernprodukt Schiene«, sagt Rolf Lübke, Geschäftsführer der Bahntochter DB Rent. Soll heißen: Vom Bahnhof ins Belgische Viertel, in die Südstadt, etc.

Wer fahren will, muss telefonieren

Ohne Registrierung lässt sich allerdings kein Rad bewegen. Unter der Nummer 0700-0-522 55 22 will die Bahn Name, Adresse und Konto- bzw. Kreditkartennummer wissen. Zahlt man per Bankeinzug, muss man einige Tage Wartezeit einrechnen, bei der Anmeldung per Kreditkarte geht’s gleich los. Fünf Euro kostet die Registrierung, das Geld kann man aber als Guthaben wieder verfahren. Sechs Cent kostet die Minute, Bahncard-Besitzer und KVB-Abonnenten zahlen nur vier. Das Ausleih-System klingt kompliziert – hat aber einen Vorteil: Es funktioniert. Wer fahren will, muss telefonieren. Auf jedem der überall in der Stadt verteilten Räder steht eine Telefonnummer, die man per Handy anruft. Die Stimme vom Band sagt einen Zahlencode an, den man über ein kleines Display in die Schließanlage des Fahrrads eingibt – das Schloss springt auf, und die Abrechnungsuhr der DB beginnt zu ticken.
Die »Call a Bike«-Bikes sind keine Rennräder. Die weich eingestellte Federung der kompakten Alu-Rahmen erzeugt ein leicht schaukelndes Fahrgefühl, auch Schlaglöcher und Bordsteinkanten verursachen keine schmerzhaften Stöße.
Schmerzhaft könnte für männliche Nutzer allerdings der Versuch sein, wie gewohnt hintenherum aufzusteigen: In Schienbeinhöhe befindet sich der elegant geschwungene Gepäckträger. Für den höhenverstellbaren Sattel, die kompakten Bremsen und die 8-Gang-Kettenschaltung gilt dasselbe wie für die Räder insgesamt: Sie sind stabil und funktional.

Nicht gerade billig

Wer die Rückgabe nicht beherrscht, zahlt allerdings teuer dafür: Die Abrechnungsuhr kommt erst nach vollendeter Abmeldung zum Stehen. (Der Höchstbetrag pro 24 Stunden liegt übrigens bei 15 Euro.) Auch hier kommt wieder das Handy zum Einsatz: Hat man das Fahrrad ordnungsgemäß abgeschlossen, blinkt auf dem Display ein Code, der an die Zentrale durchtelefoniert werden muss. Fehlt noch die Angabe des Fahrrad-Standorts, damit die DB nicht den Überblick verliert. Zum Abschluss bekommt man fairerweise die Kosten des soeben beendeten Trips mitgeteilt.
Die Bahnfahrräder sind nicht gerade billig, die Stunde kostet immerhin 3,60 Euro. Dafür stehen sie überall herum – in Zukunft zumindest. Die DB startete mit nur 300 Rädern im Kölner Stadtgebiet, die Herstellerfirma hat zur Zeit einen Lieferengpass, angeblich fehlen Bauteile aus Japan. Die angestrebte Zahl von 700 Kölner »Call a Bikes« soll aber bis Ende Juli erreicht sein.

Auf die Innenstadt beschränkt

Größter Nachteil des Angebots ist das geringe Verbreitungsgebiet, die Räder stehen nur im Innenstadtbereich bis zur Inneren Kanalstraße und in Deutz – und müssen dort auch wieder abgestellt werden. Ganze Viertel wie Nippes, Ehrenfeld oder Sülz fallen aus. Ende Dezember, wenn die Räder für eine Winter- und Wartungspause eingesammelt werden, will die Bahn ein Resümee ziehen: »Wenn es bis dahin gut läuft, überlegen wir eine Ausweitung«, sagt Manfred Ziegerath von DB Rent.
In Berlin startete »Call a Bike« schon vor zwei Jahren. Pessimisten hatten vorausgesagt, dass die Fahrräder bereits nach wenigen Monaten im Landwehrkanal, im Tiergarten-Gebüsch oder in dunklen Kreuzberger Hinterhöfen verschwinden würden. Dort zumindest waren sie im Unrecht – die rot-silbernen Räder rollen immer noch durch Berlin.

Info
Infos und Anmeldung unter Tel. 0700-0-522 55 22 oder www.callabike.de