Foto: Manfred Wegener

Lachnummer

Trotz Unterstützung durch DuMont: viel Kritik für Wolfgang Clement. RTL verliert Zuschauer

»Was mich treibt ist Neugierde«, gab der Kölner Großverleger Alfred Neven DuMont im vergangenen Jahr anlässlich seines 50. Verlagsjubiläums einem servilen Stichwortgeber im eigenen Blatt zum Diktat. Nach einem so langen, ebenso ausgefüllten wie erfolgreichen Verlegerleben scheint es vor allem die Neugierde darauf zu sein, Einfluss und Rendite noch ein bisschen zu steigern, weitere Zeitungen zu besitzen, vielleicht gleich ganze Ketten davon. Denn das scheint das Projekt der Stunde im Pressehaus an der Amsterdamer Straße. Ein Interview hier, ein inbrünstiges Manifest dort – und Tenor ist stets: Nach der Anzeigenflaute in den letzten drei Jahren seien viele Zeitungshäuser trotz drastischer Kostensenkungen alleine nicht mehr überlebensfähig. Fluchtpunkt ist ein Ende Mai von Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement verabschiedeter Entwurf zur massiven Lockerung des Pressefusionsgesetzes. Künftig erlaubt sein sollen Kooperationen im Anzeigengeschäft sowie Verlagsfusionen, selbst wenn dadurch marktbeherrschende Stellungen entstehen – solange nur die redaktionelle Unabhänigigkeit und damit die publizistische Vielfalt gesichert würden.

Vielfalt durch mehr Übernahmen, na ja, oder anders: Übermäßige Marktmacht, so will es uns der Ex-Journalist Clement andienen, schadet unter gewissen Voraussetzungen nicht. Da kann man schon ins Grübeln kommen – zumal bezeichnenderweise diejenigen Großverlage am stärksten in der Sache drängeln, die sich nicht in einer Krise befinden, sondern vielmehr auf Expansionskurs sind und kleinere Verlage im In- und Ausland kaufen wollen. Allen voran: die WAZ-Gruppe, Holtzbrinck – und eben Neven DuMont. Eine »wettbewerbspolitische Lachnummer« nennt denn auch der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsminister die Regierungsentwürfe. Konkurrenz durch das Internet oder das veränderte Leseverhalten der Jüngeren seien Ausprägungen des Wettbewerbs und deshalb uneingeschränkt zu begrüßen. Es sei ordnungspolitisch abstrus, immer dann den Gesetzgeber eingreifen zu lassen, wenn eine für das Allgemeininteresse wichtige Branche in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerate.
Wirtschaftlich sinnvolle Kooperationen wie zum Beispiel sogenannte »Sanierungsfusionen« seien schon heute möglich. Die geplante Freistellung vom Kartellverbot sei dagegen eine »Lizenz zum Ausplündern von Inserenten«, weil so Monopole entstünden. Im Übrigen sei es eine Illusion zu glauben, dass die Vielfalt erhalten werden könne, wenn wirtschaftlich alles dagegen spreche. Eine wettbewerbliche Privilegierung der Zeitungsbranche im Vergleich zu anderen Branchen würde zudem gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen. Und nicht zuletzt sei das ganze sowieso Ländersache, weil medienpolitisch motiviert.

Zwei Lager gibt es also nun: Clement und den großen expansionshungrigen Verlagen stehen die kleineren Pressehäuser gegenüber, die fürchten, Opfer dieses Expansionsstrebens zu werden. Sie finden Rückhalt beim Kartellamt und bei renommierten Wissenschaftlern in der Monopolkommission und im wissenschaftlichen Beirat. Nach der Verabschiedung des Clement-Entwurfs im Kabinett Ende Mai ist nun das Parlament gefordert. Während die SPD-Fraktion zustimmen will, haben die Grünen Änderungswünsche im Detail, und auch die Union hält Clements Pläne für eine Überreaktion.

Überreaktionen zu vermeiden sucht derzeit noch ein anderer Platzhirsch im Kölner Medienwesen, obgleich Erosionserscheinungen zu verzeichnen sind. RTL, Kölner Pionier des deutschen Privatfernsehens, schwächelt. Satte zwei Prozentpunkte in den Quoten hat RTL in den vergangenen vier Monaten gegenüber dem Vorjahr verloren, und so gab es zuletzt einige Hinweise, dass zumindest die jahrelang gepflegte Souveränität dem Marktführer langsam abhanden kommt. Zum Beispiel in der RTL-Domäne der deutschen Sitcoms, die der Sender höchstselbst fürs deutsche Fernsehen erfinden ließ. Ein zusätzlicher Sendeplatz für neue Serien wurde mittwochs eingerichtet. Mittlerweile aber werden dort Hit-Klassiker wie »Ritas Welt« oder »Nikola« in Dauer-Wiederholungen verheizt – ein Prozess, den RTL bislang stets zu vermeiden verstand. Auch an den bislang unangefochtenen RTL-Flaggschiffen am Vorabend – »RTL aktuell«, »Gute Zeiten, schlechte Zeiten« sowie »Explosiv« – kratzen schon die Konkurrenten, allen voran die neueste Big-Brother-Staffel bei RTL2. Und dann die Sache mit »goX«: Die neue Show mit Oliver Welke, produziert von der Kölner Firma Eyeworks, wurde nur vier Stunden vor der Ausstrahlung kurzfristig abgesetzt. Branchenberichten zufolge hatte RTL-Programmdirektor Frank Berners sich das Ding nochmal zeigen lassen – und kurzerhand gekippt.

Für Turbulenzen auf Führungsebene sorgen derweil RTL-Chef Gerhard Zeilers nassforsche Spitzen zur Unternehmenskultur: So sei es dem Fortkommen der Firma nicht förderlich, wenn Führungskräfte mehr als zehn Jahre eine Position bekleideten. Das wäre nicht der Rede wert – wenn nicht Zeiler selbst Amtsmüdigkeit und Ambitionen als Kanzlerkandidat in seiner österreichischen Heimat nachgesagt würden, und sein Stellvertreter und Chefredakteur Hans »Mahrhansi« Mahr gerade erst sein zehntes Firmenjubiläum feierlich begangen hätte. Das Sommerloch kann kommen.