Von Punk nach Techno und zurück, bitte

...oder besser gleich ein Wochenendticket? Marco Haas alias T.Raumschmiere macht, was er will, denn er kann es sich leisten. Konrad Feuerstein begab sich mit ihm auf den Highway to Hell

Eigentlich müsste er ein Partysprenger sein, aber wo das Sprengen zur Party wird, ist T.Raumschmiere ein Ganzkörper-Star auf allen Kanälen. Als der Berliner Marco Haas vor gut vier Jahren seine ersten Techno-Platten veröffentlichte, kam er gerade recht: Um die Jahrtausendwende herrschte nicht nur auf diesem Sektor eine Ästhetik des Weichen, Ungenauen. Postminimaler Techhouse klang wahlweise muffig-matschig oder funktional romantisch. T.Raumschmiere gab der vielleicht wichtigsten Errungenschaft des Minimal-Techno, dem guten alten Störgeräusch, wieder eine würdevolle Position. Er legte einen der Grundsteine für die neuere Berliner Schule (à la BPitch), noch bevor das 80er-Jahre-Revival so richtig los ging und Techno-Platten aus der Reichshauptstadt nicht mehr ohne Drei-Akkorde-Punk-Sleaziness zu haben waren.
Auf seinem folgenden Weg von Industrial-Minimal zu individualanarchischem Meta-Hooliganism und breitbeinigem Boogie-Diskko-Rock, vom eigenen Label Shitkatapult über Kompakt bis zum Semi-Major Novamute hat er sich eigentlich nur Freunde gemacht, nicht zuletzt durch grandiose Live-Performances. Seine ständigen Mitreisenden: Acid-Sägezähne und digitale Metal-Riffs, das Stumpf-Abstrakte und das Abstrakt-Stumpfe, das Zirpen, das Zerren und das Brummen. Steife Oberlippen, geballte Fäuste und ein wenig Jungs-Humor. Kurz vor der nächsten sanften Welle hat er sich wieder was Neues einfallen lassen: er tritt mit Band auf.

Interview
StadtRevue: Im Programm der c/o pop wird »T.Raumschmiere & Band« angekündigt. Was steckt dahinter?

Marco Haas: Dahinter steckt tatsächlich eine ganze Band. Wir covern live meine Tracks von meinem aktuellen Album »Radio Blackout« und einige andere. Sie sind für eine Bandbesetzung mit Schlagzeug und Bass neu arrangiert worden. Ich spiele dazu manchmal Gitarre, ansonsten Keyboards und Sampler. Zu manchen Stücken singe ich, zu manchen singt Marc Weiser von Rechenzentrum. Unseren Basser kenne ich schon seit dem Kindergarten, ein alter Freund, als Musiker aber noch nicht so bekannt. Der Schlagzeuger ist Miele, der Soundtechniker und Live-Engineer von 2Raumwohnung. Er spielt elektrische Drums, kein richtiges Schlagzeug. Wir sind also eine ziemliche Anti-Rock-Band, wir stellen auch keine Verstärkertürme auf die Bühne. Die Live-Interpretationen der Stücke sind dann auch nicht weit ent-fernt von den veröffentlichten Versionen.

Ist das ein Attitude-Ding, im Techno-Kontext mit Band aufzutreten?

Auch. Aber es ist ja nichts Neues für mich, denn ich komme aus der Band-Ecke. Der Hauptgrund ist für mich eher, dass ich nicht allein reisen muss, wenn ich den Sommer über die ganzen Festivals abklappere. Das habe ich die letzten zwei, drei Jahre getan, und es ist zermürbend und langweilig, jeden Abend die gleichen oberflächlichen Gespräche führen und die gleichen Sachen erzählen zu müssen. Dann war ich an einem Punkt angelangt, wo ich dachte, dass ich gern meine Homies dabei hätte, mit denen ich über normale Sachen reden kann.

Wirst Du inzwischen für Rockfestivals gebucht?

Ja, da wollte ich auch hin. Ich will nicht unbedingt nur auf Rockbühnen spielen, aber eben auch nicht nur als Club-Act durchgehen. Von Punkrock zu Techno und wieder zurück.

Wie erklärst Du Dir diese Entwicklung? Kannst Du es Dir »leisten«, nachdem Du im Clubkontext bekannt geworden bist, wieder zu Deinen Wurzeln zurückzukehren?

Das auch. Gerockt hat es bei mir schon immer, und jetzt rockt’ s halt live mit einer Band. Das war auch einfach ein kleines Experiment, um mal wieder was Neues zu machen. Ich hätte noch Jahre alleine durch die Welt ziehen können, aber ich wollte mich mal einer Herausforderung stellen, das macht Spaß. Man muss jetzt wieder einigermaßen von vorne anfangen, sich erst mal einen Namen machen mit der Band. Im Moment mache ich ein ziemliches Verlustgeschäft, weil ich ja die
Gage teilen muss.

Ist diese Arbeitsweise auch eine Option für zukünftige Studioproduktionen?

Das bezweifle ich eher. Auf dem nächsten Album, das jetzt in der Mache ist und nächstes Jahr im März erscheinen soll, wird sich das nicht niederschlagen. Es wird vielleicht ein paar Overdubs von Bass oder Gitarre geben, aber das Schlagzeug programmiere ich lieber, weil ich dann mehr frickeln kann. Die Band ist ein Live-Ding, es geht nicht darum, mit meinen Freunden Songs zu komponieren, sondern darum, ein paar Leute auf der Bühne zu haben. Mein Album wird sich trotzdem wieder anders anhören.

Was hältst Du von dem immer noch aktuellen Trend, im Techhouse-Kontext sehr offensichtlich mit Rock-Einflüssen umzugehen? Ich denke an das Neo-Wave-Revival oder an ein Label wie DFA.

Da gibt es wie immer ein paar Sachen, die gut sind und rausstechen. Aber größtenteils interessiert mich das nicht und das ganze
Gelaber außenrum auch nicht. »Retro« und »Electroclash« – ich lass mich gar nicht darauf ein, das hält mich nur ab von meiner Arbeit. Solche Worte werden von Journalisten aufgebracht, und dann muss jeder aufspringen oder sich dazu äußern, aber das ist nicht mein Ding. Ich fühl mich nicht
zugehörig zu so einer Bewegung.

Wie war das genau mit Deiner Rock-Prägung?

Bands wie Shellac und Helmet fand ich immer toll. Und ansonsten habe ich mich Anfang bis
Mitte der 90er in einer sehr
Do-it-Yourself-orientierten Punkrock- und Hardcore-Szene bewegt: Kleine Bands aus kleinen Dörfern, die irgendwie eine Single gepresst haben, 1000 Stück, und dann am Wochenende ins nächste Dorf gefahren sind, um da im Jugendzentrum zu spielen. Ich habe Schlagzeug gespielt bei Zorn, einer klassischen Hardcore-Band. Wir haben viel live gespielt, fast 300 Shows, quer durch Europa, und zwei Alben rausgebracht. Ich weiß ehrlich gesagt nicht mal mehr, was aus dem Label mittlerweile geworden ist, »Maximum Voice Records« aus Leipzig.

War der für Hardcore typische Polit-Background für euch wichtig?

Überhaupt nicht, das haben wir gezielt weggelassen. Das war eher ein ästhetisches Ding, mit Texten von selbstkritisch bis selbstzerstörerisch (lacht). Wir haben uns mehr mit uns selbst befasst als mit der Außenwelt.

Du hast auch ein eigenes Label, Shitkatapult. Wie hat das angefangen?

Ich hatte noch eine andere Rockband, Stormbow. Wir haben einen Wettbewerb gewonnen, wussten aber dann nicht, wohin mit den Aufnahmen. Also haben wir sie einfach 500mal gepresst und »Shitkatapult« draufgeschrieben. Das war 1997. »Stromschleifen« war dann 2000 meine erste Techno-Soloplatte nach mehreren Beiträgen für Compilations auf Shitkatapult.

»Anti« scheint für Dich und bei Shitkatapult ein zentraler Begriff zu sein.

Auf jeden Fall. Bei Shitkatapult geht es um andere Wege, Alternativen zum Bestehenden. Es gibt immer zwei Wege, irgendwo
hinzukommen, es gibt immer
zwei Seiten einer Medaille, und es gibt immer zwei Seiten einer Bockwurst.

Info
Weitere Informationen zu T.Raumschmiere finden sich unter www.shitkatapult.com