»Ich habe Gespür für ungerechte Verfolgung«

Der Kölner Lesben- und Schwulentag (KLuST) organisiert seit Jahren den Christopher Street Day (CSD) in der Stadt. Das diesjährige Motto und die dazugehörige Kampagne »Mogelpackungen« macht stärker als in den vergangenen Jahren auf die Diskriminierung von Homosexuellen aufmerksam. Björn Dietzel ist im KLuST-Vorstand für Kommunalpolitik zuständig und gleichzeitig Mitglied der Kölner FDP. Die tritt zurzeit als rechter Hardliner in Sachen Flüchtlingspolitik auf. Diskriminierung von Homosexuellen findet Björn Dietzel nicht gut. Diskriminierung von Flüchtlingen ist für ihn dagegen kein Thema. Thilo Guschas konfrontiert den Jungpolitiker und KLuST-Vorständler im Interview mit diesem Anspruch.

 

StadtRevue: Der CSD hat sich verändert. Er ist immer stärker zum Event geworden. Das Feiern steht im Vordergrund. In diesem Jahr scheinen politische Inhalte beim CSD wieder an Bedeutung zu gewinnen, betrachtet man etwa die Anzeigenkampagne »Mogelpackungen« . Heißt das: zurück zu den Wurzeln?

Björn Dietzel: Der CSD war ja nie wirklich unpolitisch. Wir haben es mit einer Million Besuchern zu tun – schon das Zusammenkommen dieser Menschenmenge ist eine politische Aussage. Jedes Jahr haben wir verschiedene Mottos gehabt. Dieses Jahr haben wir die »Mogelpackungen«. Das sind sechs Motive, die jeweils ein Problem ansprechen. Zum Beispiel das Thema Standesamt: Wir dürfen uns jetzt verpartnern – aber haben nur Pflichten, keine Rechte. Wir müssen nicht zurückgehen zu irgendwelchen Wurzeln, wir sind halt nur groß geworden.

Der CSD ist ein Wirtschafts-Faktor für die Stadt. Damit wird offen geworben. Ist das Bemühen um politisches Engagement da wirklich mehr als nur ein Feigenblatt?

Es muss mehr als ein Feigenblatt sein. Unser Ziel ist es ja, bestimmte Themen ins politische Bewusstsein zu rücken. Das gelingt natürlich nicht nur damit, dass eine Million Menschen bei einer Parade durch die Stadt ziehen. Wir wollen, dass möglichst viele Parade-Wagen etwas von den »Mogelpackungen« übernehmen. Das ist nicht leicht. Es ist in gewisser Weise eine Kirmes. Eine Million Menschen, die zusammenkommen, wollen halt auch was trinken und Party machen. Ich fürchte, der überwiegende Teil kommt nach Köln zum Feiern.

Was ist denn außer den »Mogelpackungen« anders als im letzten Jahr?

Wir haben diesmal weniger Politik auf der Hauptbühne, dafür aber eine spezielle Bühne auf dem Theo-Burauen-Platz. Da werden die Parteien stehen. Rein politisches Programm haben wir zu unseren Mogelpackungen – nicht nur mit Politikern, sondern auch mit Vertretern der Medien und der Pharma-Industrie. Nur die Kirche wollte nicht teilnehmen.

Aber Diskussions-Veranstaltungen gab es doch schon im Vorjahr?

Dieses Jahr bringen wir die Politiker in näheren Kontakt mit den Bürgern, indem wir sie nicht mehr vor 10.000 Leuten, die nur Bier trinken und Party machen wollen, auf dem Heumarkt sprechen lassen.

Dass der KLuST 2004 mehr politisieren will stimmt also so nicht?

Wir waren immer politisch, wir machen es nur anders dieses Jahr.

Beim KLuST sind Sie für Kommunalpolitik zuständig. Wie sieht diese Arbeit aus?

Das ist ein klassischer Arbeitskreis. Vergangenes Jahr haben wir eine kommunalpolitische Erklärung geschrieben und uns mit verschiedenen Institutionen getroffen, zum Beispiel mit der Aids-Hilfe. Außerdem haben wir in den Bezirksvertretungen Bürger-Anträge gestellt, etwa zur Beflaggung der Bezirksrathäuser mit der Regenbogen-Fahne. Diese Anträge sind überall angenommen worden, bis auf Porz und Rodenkirchen.

Als Mitglied des KLuST kämpfen Sie gegen die Diskriminierung von Lesben und Schwulen. Zugleich sind Sie aktives Mitglied der Kölner FDP – die in der Stadt zurzeit durch ihre rechtslastigen Kommentare und Forderungen in der Flüchtlingspolitik auffällt. Geraten Sie da nicht selbst in die Rolle, eine benachteiligte Gruppe zu diskriminieren?

Es geht ja nicht um Diskriminierung. Illegal Eingereiste haben keinen gesicherten ausländerrechtlichen Status. Ich habe ein Problem damit, wenn diese Leute mit Anwalt, aber ohne Papiere bei der Stadtverwaltung ankommen und sagen: Ihr müsst uns unterbringen. Ein Teil davon sind diese Klau-Kids. Da haben wir als FDP die Meinung, dass wir die Klau-Kids in geschlossenen Heimen unterbringen müssen.

Der Ton, der dabei von der FDP angeschlagen wird, ist oft populistisch. So kommentiert Ulrich Breite, Geschäftsführer der Fraktion, die Arbeit des geplanten Schaworalle-Projekts, bei dem man in Frankfurt bereits sehr erfolgreich mit betroffenen Kinder arbeitet, folgendermaßen: »Dort können die Klau-Kids künftig tagsüber spielen, um dann abends Omas zu überfallen.« Solche Formulierungen werden dann von der rechtsradikalen Gruppe Pro Köln übernommen.

Das ist natürlich Hilfe von einer Seite, die wir gar nicht haben wollen. Pro Köln versucht krampfhaft, ins Gespräch zu kommen, mit einem Thema, wo sie sich an uns ranhängen. Beim Thema Diskriminierung von Homosexuellen oder Moscheebau, den wir ja unterstützen, sind wir mit Pro Köln ganz und gar nicht auf einer Linie.

In Köln hat sich die FDP lange gegen das Fairness-Abkommen gesperrt, mit dem ausländerfeindliche Wahlwerbung ausgeschlossen werden soll.

Mit dem Fairness-Abkommen an sich haben wir ja nie Probleme gehabt. Wir sagen nur, die beiden Schiedsleute in diesem Verfahren waren nicht unparteiisch. Das finde ich legitim.
Homosexualität ist in Deutschland bisher kein Asylgrund –

Leider!

– deshalb werden Menschen, die auf Grund ihrer sexuellen Orientierung aus ihrem Land vertrieben werden, in Deutschland zu illegalen Flüchtlingen. Auch gegen diese Menschen richten sich die FDP-Aktionen.

Das sehe ich überhaupt nicht so. Ich habe noch nie von dem Fall gehört, dass hier in Köln Leute angekommen sind, die auf Grund ihrer sexuellen Orientierung verfolgt werden. Im Übrigen ist es nicht gerade ein rühmliches Zeichen für die rot-grüne Bundesregierung, dass sie es in sechs Jahren nicht geschafft hat, sexuelle Identität als Verfolgungsgrund aufzunehmen.

Haben Sie sich denn dafür eingesetzt und stark gemacht?

Ich habe mich bisher, muss ich ehrlich sagen, für Asylrecht nicht interessiert, da es mehr Bundesrecht ist und ich mehr Kommunalpolitik mache.

Regina Kobald von den Grünen kritisiert in einer Pressemitteilung, dass der KLuST-Vorstand, in dem mehrere FDP Mitglieder sind, sich nicht von der FDP-Hetze gegen Flüchtlinge distanziert. Sie spricht von den »Geistern, die man rief« und schreibt: »Wer an Vorurteile appelliert, wer Fremdenfeindlichkeit schürt, schafft damit ein Klima der Ressentiments. Heute werden die Ausländerheime angesteckt, morgen die Homosexuellen gejagt.« Haben Sie keine Angst vor einer solchen Entwicklung?

Also hier in Köln zum Glück nicht. Wir sind auch in Deutschland weit davon entfernt, dass es zu solchen Auswüchsen wie damals in Lichtenhagen kommt. Ich glaube nicht, dass zum Beispiel die Aussagen der FDP etwas damit zu tun haben. Die Grünen übertreiben da auch ein bisschen. Wenn Regina Kobald sagt: »Die Geister, die ich rief«, muss man sich mal das grüne Wahlprogramm angucken. Da steht drin: Wir wollen allen Leuten, die seit vier Jahren hier sind, Aufenthaltsrecht geben. Da bin ich dagegen – wer sich hier vier Jahre illegal aufhält, den auch noch zu belohnen. Insofern, »die Geister, die ich rief«, das sind dann eher die Grünen, die sagen: Ihr seid alle willkommen.

Aber man könnte doch meinen, wenn Sie sich gegen die Diskriminierung von Homosexuellen engagieren, haben Sie grundsätzlich ein Gespür für Diskriminierung?

Das Gespür ist schon da. Für ungerechte Verfolgung. Aber diese Leute werden ja anscheinend nicht verfolgt – sonst würden sie es ja sagen.