Mensch, schäme Dich nicht!

Spektakuläres Leiden wie es ihre Dozentin an der Hochschule für Bildende Kunst in Braunschweig, Performance-Pionierin Marina Abramovic, zelebriert, ist nicht ihr Ding. katharinajej alias Katharina Lima belastet und versehrt ihren Körper nicht für die Kunst. Die 33-jährige Künstlerin sitzt weder 736 Stunden auf einem Stuhl oder nackt und grell ausgeleuchtet wie gekreuzigt auf einem Fahrradsitz, noch legt sie sich in brennendes Sägemehl.

 

Physisch sind katharinajejes Arbeiten trotzdem. Mehr lustig und verspielt, mal berührend schön, mal seltsam beschämend. Zum Beispiel wenn sie in der Reihe #true romance kleine Alltagsmomente inszeniert. Sei es, ob sie in Passanten einlädt, sich zu ihr in eine zwischen Ampel und Stoppschild gespannte Hängematte zu legen, Händchen halten oder in die Augen schauen für zwei Euro auf dem Oktoberfest verkauft oder sich auf dem Weihnachtsmarkt verschenken lässt. »Ich arbeite mit der Intimität, die in der körperlichen Begegnung zwischen Menschen entsteht«, erklärt sie.

 

Vor vier Jahren hat es katharinaje nach Köln verschlagen, zusammen mit ihrer Kollegin Julia Dick mit der sie als »katze und krieg« unterwegs ist. Zuletzt entschleunigten die Performinnen das Sausen des Alltags als Sissi und Sissi, in ausladenden Abendkleidern, als sie sich im schillernden Spektakel »In allem Gold« in Slow-Motion durch die Stadt bewegten. Für ihr neustes Projekt, das »PerformanceZuHauseFestival«, arbeitet katharinajej wieder solo. Statt nach draußen geht sie diesmal nach drinnen, in die Wohnungen von drei Künstlern, die mit ihr für die Zuschauer zu Gastgebern werden. »Mich interessiert, was genau passiert, wenn Andere in diesen Räumen der Privatheit zu Besuch sind. Die meisten Erfahrungen, die ich zuhause mache, teile ich ja nicht, selbst nicht mit Freunden.« Plötzlich sind Vorlieben peinlich, Sex, Nacktheit gibt es nicht; man lümmelt zwar am Küchentisch, aber nicht zusammen im Bett, entschuldigt sich für die leeren Weinflaschen. In stündlichen Perfomances geht es in die Tabuzonen der Gastgeber und an die Grenzen von »zuhause«.