»Fick mir ein Kind«

Sandra Reitmeyer inszeniert mit Ich wünsch mir eins die verzweifelte Gier einer Heimatlosen

Die katastrophische Beziehung beginnt oft im Rausch, oft geht sie wie im Drama »Ich wünsch mir eins« nicht gut aus. Zwischen Anziehung und Abstoßung, Poesie und Brachialität entwickelt die deutsch-iranische Autorin Azar Mortazavi eine Sprache für Weltentrückte, die sich fremd und einsam sind. »Ich werde weggehen, dahin, wo alles besser wird«, hofft Hauptfigur Leila.

 

Ankommen wird sie an diesem fernen Sehnsuchtsort Arabien, Heimat ihres Vaters und wo sie ihre Wurzeln, ihre Echtheit vermutet, nie. Immer wieder verbauen jämmerliche Umstände ihr den Weg. Der Vater sitzt im Knast und ihr dringlichster Wunsch bleibt unerfüllt: »Fick mir ein Kind«, fordert sie von ihrer Affäre George, einem alten Trinker. Doch mehr als brutalen Sex bekommt sie von ihm, der ebenso verloren ist, nicht. Doch Leilas Sehnsuchtsphantasien taugen nicht für ein einfaches Rührstück über Migrantenkinder. Im Gegenteil. Regisseurin Sandra Reitmayer, die 2013 mit dem Kölner Theaterpreis ausgezeichnet wurde, inszeniert einen Traum im Alptraum und legt den Blick frei auf Leilas innere Leerstelle. Geschickt dampft sie dafür das Drama auf den Dialog zwischen Leila und George ein.

 

Die Wohnung von George, in der sich alles abspielt, findet auf der fast leeren Bühne ihre sinnbildliche Entsprechung von Einsamkeit. Die paar Sandsäcke, welche die Löcher dieser Ödnis nicht zu stopfen vermögen und eine übergroße Zielscheibe mit Einschusslöchern markieren ein Setting der Dynamik von Gewalt. Arno Kempf spielt recht naturalistisch den Betrunkenen »mit Bier im Herzen«. Meist hockt er handlungsunfähig am Boden. Pia-Leokadia Bucindika hingegen gleicht im weißen Tutu mit ihren grazilen und marionettenhaften Bewegungen einem sterbenden Schwan. Ihre Leila verkörpert eine Figur wie aus einer Märchenwelt. Ein ebensolches Fabelwesen ist Kontrabassist Stefan Schönegg, der als schwarzer Rabe die aussichtslose Suche der beiden nach einem diffusen »Etwas« in dunklen Sound eindeckt.

 

Mit der starken Verkünstlichung von Figuren, Sprache und Sound entgeht die Regisseurin der Gefahr allzu gefühliger Sentimentalität. Doch gleichzeitig versiegt jede andere Regung. Trotz der eindringlich schönen Bildsprache sitzt man allzu unberührt wie vor Schaufensterpuppen da. So vollkommen metaphysisch entrückt, beraubt sich die Inszenierung der Schlagkraft des Textes.