»Why so serious?«

Moritz Sostmann liefert den Menschenfeind als rasant-witzige Melange aus Zitaten ab

Vor dem Spiegel schminkt sich Alceste (Benjamin Höppner) zum Weißclown. Der gilt in der Riege der Spaßmacher als jene melancholische Figur, die dem Treiben der Welt zusieht: immer seriös, unantastbar und immer ein bisschen von oben herab. Dieser Weißclown ist in Moritz Sostmanns Inszenierung der titelgebende »Menschenfeind«, der beschließt, der bourgeoisen Gesellschaft an Sonnenkönig Ludwigs Hof in Versailles, die ungeschminkte Wahrheit zu verpassen und dafür in Teufels Küche kommt. Verspottet er doch die Verse des Hobby-Poeten Oronte, der daraufhin gegen ihn intrigiert und einen Prozess provoziert.

 

Die bessere Gesellschaft, die gegenseitig schön tun und sich hinterrücks verleumdet, gegen die sich Alceste in Molières bitterer Komödie auflehnt, besteht bei Sostmann aus Nichtmenschen, aus Puppen, die der Regisseur als Varianten des  rotnasigen Dumme August inszeniert. Eine gelungene Pointe. Denn dadurch, dass die Puppen dem untersetzten Höppner gerade zur Hüfte reichen, entsteht ein komischer Effekt, der den albernen Habitus dieser Hofschranzen ausstellt. Den greift auch das clevere Bühnenbild von Christian Beck auf.

 

Alles auf der Bühne ist überdimensioniert, Servietten groß wie Tischdecken, die Figuren wirken zwischen den riesigen Stühlen und der riesigen Tafel fast wie Kinder. In einer hinreißend komischen Szene sitzt Alceste am Tisch, um zu speisen. Messer und Gabel sind so groß wie ein Schwert, das Törtchen ein Mega-Kuchen. Sostmann zieht slapstick-artig alle Register. Viele Szenen erinnern an die Stummfilmzeit. Oder es gibt den Teppichstolperer aus »Dinner for One«. Auch die modernere Popkultur muss ran. So wandelt sich Höppners Weißclown-Gesicht im Laufe des Abends zur Fratze des Jokers aus Christopher Nolans Film »The Dark Knight Rises«. Weit zieht sich der Lippenstift bis zu den Ohren: »Why so serious?«

 

Die Geschichte rund um den Misanthropen Alceste, der Integrität der Schleimerei vorzieht und auch in seiner Liebe zu Célimène nicht gerade glücklich wird, hat Sostmann mit dieser witzig-rasanten Melange aus Zitaten ein ordentliches Update verpasst. Die Ästhetik geht auf, der Abend macht Spaß.

 

Bisweilen kommen bei all dem Krawall und Überdrehtem die  Zwischentöne abhanden. Vielleicht ist diese nervige Falschheit der Bussi-Bussi-Gesellschaft am Hof von Versailles aber auch so einfach am besten zu ertragen.