Heute schon Charlie gewesen?

Nie ist es einfacher gewesen, unerschrocken für Meinungsfreiheit einzutreten. Oder?

11. Januar, Foto-Termin in einer eigens dafür abgesperrten Pariser Seitenstraße: Für einen kurzen Moment haken sich die versammelten Regierungschefs zahlreicher Staaten unter und legen symbolträchtig ein paar gemeinsame Meter zurück. Ohne Zweifel, alle verteidigen die Meinungsfreiheit, aber alle unterwerfen sie ihrer Staatsräson — und das heißt immer auch Überwachung, Einschüchterung, Zensur. In David Camerons England forderten Geheimdienstler den Guardian zur Zerstörung des Laptops mit den Snowden-Dokumenten auf.


Wer Charlie ist, ist also nicht Edward.

 

Saudi Arabien, einer der engsten Verbündeten des Westens im »Kampf gegen den Terror«, droht den Blogger Raif Badawi öffentlich zu Tode zu quälen.


Wer Charlie ist, ist also nicht Raif.

 

Charlie Hebdo war und ist in seiner Bildsprache häufig vulgär, aber deshalb weil die Herrschenden, egal ob christlicher oder muslimischer Couleur, selber vulgär sind. Wenn die Herrschenden Charlie sind, dann wäre es einer ganz bestimmt nicht mehr, nämlich Charlie selbst. Dass man die Meinungsfreiheit nicht nur gegen religiöse Fanatiker, sondern auch gegen die kühlen Technokraten der Macht durchsetzen muss, das ist das Erbe des Pariser Magazins. Und dieses Erbe wird nicht verschwinden.

 

Eure StadtRevue-Redaktion