Mit Brezeln ins Unermessliche

»Wenn in Deutschland in den letzten Jahren von Poesie die Rede war, hatte man fast immer den sonderbaren Eindruck, es werde vom Besuch eines Todkranken berichtet.« Das sagte Michael Krüger, Lyriker und ehemaliger Leiter des Hanser Verlags, neulich in einem Vortrag. Die erste Ausgabe des Festivals für Weltliteratur »Poetica«, dessen Kurator Krüger ist, widmet sich gerade deshalb ausschließlich der Lyrik. Das Motto »Die Macht der Poesie« suggeriert schon, dass die Veranstalter das Genre trotz geringer Auflagenzahlen nicht für todkrank, sondern im Gegenteil für höchst lebendig und potent halten.

 

»Wir hoffen, durch das breit gefächerte Veranstaltungsangebot ein größeres Publikum zu erreichen, als es sonst bei Lyriklesungen der Fall ist«, so Mitorganisatorin Ines Barner, »denn neben klassischen Lesungsformaten bieten wir auch thematische Diskussionen an der Universität und experimentelle Veranstaltungen an, die die performative Dimension von Lyrik in den Mittelpunkt stellen.« Das Motto des Festivals nehme zum einen Bezug auf die politische Macht, die Lyrik entwickeln kann, zum anderen auf die poetisch-ästhetische Dimension: Gedichte verweisen, so Barner, in den Raum des Unermesslichen.

 

Initiator des neuen Literaturfestivals, das jährlich mit neuen Kuratoren und Themen fortgeführt wird, ist der Germanist Günter Blamberger, der das Internationale Kolleg Morphomata leitet. Gemeinsam mit der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung hat er »Deutschlands bekanntesten Ex-Verleger« (FAZ) als Kurator engagiert und ihm bei der Auswahl des Themas und der Autoren freie Hand gelassen. Krüger hat Dichter eingeladen hat, die ihn selbst seit Jahren beschäftigen und beeinflussen. 

 

Die spannendste Veranstaltung des Literaturfestivals findet in Kooperation mit dem Schauspiel Köln statt. Bei »Poetry meets Scenery« werden Gedichte aller zum Festival eingeladenen Autoren in einem — wie die Veranstalter es nennen — Inter-Art-Experiment nicht nur klassisch gelesen, sondern szenisch umgesetzt. Im Depot 2 wollen vier Ensembleschauspieler unter der Leitung der Regisseurin Charlotte Sprenger die Grenzen traditioneller Lesungen aufbrechen und damit neue Zugangsweisen zur Poesie eröffnen. 

 

Nach der Veranstaltung sind die Gäste eingeladen, sich mit Brezeln und Wein zu versorgen und mit den Autoren ins Gespräch zu begeben. Eine einmalige Gelegenheit, international renommierte Lyriker wie Yesim Agaoglu, Marcel Beyer, John Burnside, Lars Gustafsson, Aleš Šteger, Pia Tafdrup, Yang Lian und Adam Zagajewski kennenzulernen.