»Karneval in Köln braucht keine politischen ­Karikaturen — Köln ist die Karikatur«

Der Kölner Kabarettist ­Jürgen Becker zeigt, was an Düssel­dorf einfach ­besser ist.

Von der Washington Post über die Japan Times bis hin zur indischen The Hindu — wenn ein einziger Karnevalswagen an einem Tag rund um den Globus in über
siebzig Tageszeitungen abgebildet wird, heißt das zweierlei: Erstens: Karneval ist politisch. Zweitens: Der Wagen kann nicht aus Köln stammen

 

 

Auch propere Putinisten müssen einräumen, der Motivwagen des Düsseldorfer Rosenmontagszugs 2014 ist satirisch und handwerklich ebenso brillant wie die schaurige Prophezeiung, Edward Snowden lande auf dem elektrischen Stuhl und Obama persönlich lege den Schalter um. Auch dieses Amerika-kritische Statement aus Pappmaché ging medial um die Welt mit dem Untertitel: »Düsseldorf«. 

 

Ganz in der Tradition von Charlie Hebdo erregten bereits 2007 zwei identische, bis an die Zähne bewaffnete Selbstmordattentäter mit den Untertiteln »Klischee« und »Wirklichkeit« die internationale Öffentlichkeit.

 

Das weltweite Renommee der mutigen Figurenbauer um Jacques Tilly und die damit einhergehende globale Promotion für Düsseldorf scheint für Köln unerreichbar. Zu verquast sind die Motive, zu wirr die Botschaften, zu stümperhaft die Umsetzung. 

 

Der Wagen, der 2014 Wladimir Klitschko als strahlenden Sieger in der Ukraine zeigt, war längst so obsolet wie die Zeitung von vorgestern. Die Realität hatte die Kölner Karikatur förmlich überrollt und zerdrückt. Der Wagen fuhr mangels Alternativen trotzdem mit. Denn es stimmt: Den Kölnern sind die Wagen eigentlich egal. Sie feiern gern sich selbst und andere, die Stimmung am Zugweg ist ein ausgelassenes Inferno des rheinischen Frohsinns, und da besteht überhaupt kein kausaler Zusammenhang zu den vorbeiziehenden Plastizitäten und Tollitäten. 

 

Auch fünf Kilometer Rote Funken bringen das Feuer kölscher Feierfreude am Zugweg nicht zum erlöschen; das nächste Pittermännchen ist schon im Anschlag. Nur: Warum dann der enorme, kostspielige Aufwand? Warum lässt man Rosenmontag in Köln nicht einfach jedes Jahr dieselben Wagen fahren? Same procedure as last year.

 

Die Gesichter der persiflierten Politiker auf den Motivwagen sind eh kaum personifizierbar und müssen meist mit einem Namensschild ergänzt werden. Will heißen: »Das soll Außenminister Steinmeier sein.« Peinlicher kann ein Wagenbauer seine Unfähigkeit nicht preis-geben. Aber es eröffnet ungeahnte Möglich-keiten: Dieselbe Figur würde 2015 als Verkehrsminister Dobrindt durchgehen. »Ukraine« überpinseln, »Ausländer-Maut« draufschreiben, Namensschild tauschen, fertig ist der neue Motivwagen. Mehr braucht’s in Köln nicht. Wetten? Keiner merkt’s.

 

 

Das viele gesparte Geld könnte dann wunderbar in pointiertes Wurfmaterial investiert werden: Fahrkarten nach Düsseldorf. 

 

 

Jürgen Becker, Jahrgang 1959, ist -Kabarettist, Autor und Moderator.
1983 begründete er die alternative -Kölner »Stunksitzung« mit. Im WDR-Fernsehen moderiert Becker unter anderem die Kabarettsendung »Baustelle Deutschland« sowie zusammen mit Wilfried Schmickler »Mitternachtsspitzen«. Zuletzt erschien von Jürgen Becker das Buch »Dalí Dalí — Mit Jürgen Becker durch die Kunstgeschichte«. Mehr auf: juergen-becker-kabarettist.de