»Es geht in Köln nicht um Provokation«

Johannes J. Arens sprach darüber mit Christoph Kuckelkorn, dem Leiter des Rosen­­­montags­zugs

Christoph Kuckelkorn ist Leiter des Kölner Rosenmontagszugs. Seit er 2005 angetreten ist, wurde der kölsche Karneval moderner und auch politischer. Dennoch gilt der Kölner Zoch als vergleichsweise brav — woran liegt das?

 

 

Herr Kuckelkorn, ist der Karneval politisch?

 

Im Karneval hält die bürgerliche Seite der Politik von je her den Spiegel vor. Der Narr ist derjenige, der der Gesellschaft zeigt, wo sie steht.

 

Dieser Narr ist in Düsseldorf sehr präsent. Köln hingegen wird oft vorgeworfen, es sei noch zu unpolitisch.

 

Grundsätzlich ist der Karneval in Köln ganz anders gestrickt als in anderen Städten. Das ist eine Frage des Lebensgefühls. Der Kölner möchte nicht immer nur nachdenken, der will auch mal humoristisch bespaßt werden. 

 

Wie ist das in Ihrem Verantwortungs-bereich, im Rosenmontagszug?

 

Das gilt auch für den Rosenmontagszug. Da greifen wir ja durchaus auch sperrige Themen auf. Wichtig ist die Darstellungsweise, für die es klare Kriterien gibt. Es geht uns nicht nur um Provokation, sondern darum, deutlich Stellung zu beziehen.

 

Wann beginnt die Planung?

 

In der Regel mit den Vorplanungen Mitte des Jahres. Ich überlege mir dann, was die Ausrichtung des Zuges werden könnte. Dann wird es immer demokratischer, und ich hole nach und nach andere Menschen ins Boot. Der Prozess geht dann tatsächlich bis in die Karnevalswoche. Vor vier Jahren haben wir kurz vorher den Rücktritt des Verteidigungsministers gehabt. Da musste am Dienstag vor Rosenmontag noch ein neuer Wagen her. Deswegen sind wir bis zum Schluss flexibel.

 

Aber die ersten Vorgaben stammen von Ihnen?

 

Meine Themen sind nicht automatisch gesetzt. Damit wäre man auch falsch beraten. Es geht ja nicht um mich, sondern um Themen für die Stadt und die Menschen.

 

Am Rosenmontagszug 2015 werden sie zum zehnten Mal Zugleiter sein. Was haben Sie in den vergangenen Jahren gelernt?

 

Wie stark Provokation wirken kann und was der Überstrahlungseffekt bedeutet. Vor den letzten Bundestagswahlen hatten wir einen Wagen, auf dem Frau Merkel beim politischen Schönheitschirurgen dargestellt war. Eigentlich unkritisch und nichts, was besonderes mediales Interesse hervorrufen würde. Für dieses Motiv hatte der Wagenbauer zum Schluss aber absolut keine Zeit mehr, die Blöße der Brüste unserer Kanz-lerin zu bedecken. Am nächsten Tag war sie von Flensburg bis Bayern überall auf den Titel-seiten. Keiner hat mehr über das eigentliche Thema gesprochen, und keiner hat mehr über andere Wagen geredet. Es ging nur noch die Frage: Darf man eine Kanzlerin barbusig zeigen oder nicht?

 

Und, darf man?

 

Im nächsten Jahr haben wir dann Frau Merkel dargestellt, wie sie die anderen europäischen Staa-ten als Frischlinge säugt. Da hatte sie dann sechs Brüste. 

 

Es gibt also auch Beschwerden?

 

Ja. Aber wir wollen das ja. Es soll ja über einen Wagen gestritten werden, es soll über Darstellungsweisen geredet werden, und es sollen die Themen nach vorne gebracht werden. Wir sind ja keine moralische Instanz, sondern möchten Diskussionen anregen, wie beispielsweise mit dem Guantanamo-Wagen vor einigen Jahren.

 

Was wurde da bemängelt?

 

Er sei nicht lustig oder so ein Thema gehöre nicht in den Karneval.

 

Und?

 

Da bin ich streitbar — natürlich sind die Themen,
die die Gesellschaft beschäftigen, auch Themen des Karnevals.