Jüdisches (Er)Leben

Alle vier Jahre bündeln seit 2002 die Jüdischen Kulturtage im Rheinland Dutzende von Veranstaltungen in Köln, Düsseldorf, Bonn, Neuss, Leverkusen oder Wuppertal. Was genau jüdische Kultur eigentlich ist, erklärt das Programm nicht. Das ist auch gut so, so bleibt die Frage stehen, als Angebot oder als Aufforderung zur Aufmerksamkeit.

 

Die schiere Menge an Veranstaltungen innerhalb der vier Wochen unter dem Motto »Angekommen — jüdisches (er)leben« ist ebenso beeindruckend wie die Zahl von Kommunen, Verbänden, Stiftungen, Sponsoren und Veranstaltungspartnern, die kooperieren. Da werden etwa unter dem Stichwort »Begegnung« geführte Spaziergänge und Besichtigungen jüdischer Friedhöfe und Synagogen angeboten, dazu Koch- und Tanzworkshops. Diese hinreißenden israelischen Volkstänze wurden einst aus jemenitischem Volks- und europäischem Ausdruckstanz entwickelt. Die Tanzaufführungen auf den Bühnen in Neuss und Leverkusen, bestreitet die israelische Kibbutz Contemporary Dance Company, die regelmäßig in Deutschland tourt. Ist doch der zeitgenössische Tanz aus Israel ein in aller Welt gefragtes Exportgut und absolut sehenswert.

 

Zu empfehlen ist besonders die israelische Choreografin Yasmeen Godder, die mit »Lie like a Lion« im Tanzhaus NRW in Düsseldorf gastiert, bekannt für ihren herben Stil, für impulsive Regungen verletzlicher Dickhäuter, für das scheinbar kaum kontrollierbare Schwanken zwischen Zutrauen und Abstoßen; uneindeutig und blitzhaft klar, geordnet und zerrissen, verdichtet und überlagert.

 

Verwandt ist das Konstruktionsprinzip ihrer Film- und Performancekollegin Sharon Paz aus Berlin. Sie baut begehbare Installationen aus gefundenen Videos und Zeichnungen, in denen sich die Welt an sich selbst verschluckt, hustet und weint. Die Zuschauer sind ganz nah, wie mittendrin, als seien es ihre eigenen Bilder oder Erinnerungen. »We forgot« hat im FFT Düsseldorf Premiere und ist anschließend an der Kölner Studiobühne zu sehen. Es zeigt heutige und historische Muster der Ein- und Auswanderungsbewegungen zwischen Israel und Deutschland.