Der entschlackte Parzival

Stefan Bachmann befreit Wolfram von Eschenbachs Versroman von Mittelalter-Klimbim

Ein unehelich geborener junger Ritter — unglaublich gutaussehend und unglaublich unbesiegbar — zieht durch das Land und sucht einen Stein, mit dem er eine Woche lang unglaublich unverwundbar sein wird. Nebenbei wird er vom »Knaben« zum »Manne«. Was selbst in einem durchschnittlichen Ego-Shooter als schwacher Plot gälte, wird am Schauspiel Köln von Intendant Stefan Bachmann inszeniert: Wolfram von Eschenbachs Versroman Parzival.

 

Das alte Problem tut sich auf: Wie inszeniert man einen Klassiker, dessen Pathos und Wertvorstellungen in der ironischen Moderne antiquiert wirken, ohne dabei mit einer allzu brachialen Dekonstruktion auf Stücklänge letztlich doch zu langweilen?

 

Bachmann und sein Dramaturg Thomas Laue setzen auf die Text-Bild-Schere. Der Erzähltext in der Übersetzung von Dieter Kühn wird vom Ensemble in wechselnden Rollen lakonisch und umsichtig gekürzt vorgetragen. Auf der quaderförmigen Bühne herrscht ein stilsicherer Minimalismus vor. Rüstungen werden zu Anzügen, der Kampf von Ritter Gawan mit einem Löwen wird als Kampf zwischen Kleinstadt-Dandy und Ikea-Matratze inszeniert. Marek Harloff verleiht seinem Parzival gewollt Ausdrucksschwäche, die der mangelnden Selbständigkeit und dem Opportunismus seiner Figur angemessen ist. 

 

Besonders angenehm ist die Zurückhaltung der Inszenierung in den Kampfszenen. Während man im Moment mit hyperrealistischen Gewaltinszenierungen in IS-Propaganda-Videos oder Serien wie »Game of Thrones« im Überfluss bedient wird, lässt Bachmann Farbbeutel platzen. Das schafft ausreichend Distanz zwischen dem Heldenpathos des Ur-Texts und dem eigenen Befremden darüber.

 

Nur an einer Stelle geht Bachmanns Konzept nicht auf. Cundrie, die Gralsbotin, im Original als wenig ansehnliche Hexenfigur beschrieben, wird hier zur unansehnlichen Verkörperung kritischer Theater-klischees. Einreißen der vierten Wand? Check! Selbstreflexive Inszenierung? Check! Cundrie wird so zur feministischen Furie, die trotz ihrer berechtigten Einwände erstmal nur nervt. Das hätte man schlauer lösen können. Trotzdem, die zwei Stunden mit »Parzival« sind alles andere als verschwendet, was an der unaufgeregten Inszenierung liegt, die ganz ohne Mittelalter-Klimbim die Erzähltauglichkeit dieser Geschichte beweist. Heldenhaft-alberne Ambitionen gibt es im Urtext schließlich genug.