Techno out of Ehrenfeld

Es wird wieder gesungen in der elektronischen Musik. Mittendrin in der neuen Wortlastigkeit ist Ada, die charmante Vorzeigeproduzentin der Kölner Technoszene

Ehrenfeld ist derzeit nicht gerade das, was man das Epizentrum der Clubkultur nennen könnte, trotz der Qualitätsarbeit des ARTheaters. Viel eher gilt der Arbeiterstadtteil als ein Musterbeispiel für Multikulti und Toleranz. Hier findet es statt, das friedliche Nebeneinander und Miteinander der Kulturen und Lebensstile. Was im Straßenbild – zumindest auf den ersten Blick – stimmt, hinkt leider im Detail. Zumindest bei Michaela Dippel, besser bekannt als Ada. Sie kann nicht allzu viel positives von ihren etwas lärmempfindlichen Nachbarn erzählen. Das nervt schon, gerade wenn man in den letzten Zügen für ein Album steht.

Presse-Promo in der Wohnung

Wir schreiben Ende Juli. Es ist einer der wenigen angenehmen Abende dieses Sommers. Dem besonderen Charakter ihrer Musik entsprechend hat Ada zu einer privaten listening session in ihre Wohnung geladen. Eine schlichte Promo-CD für die Presse wäre ja auch zu unpersönlich. So kann sie direkt die Stimmung der geladenen Journaille testen, ein bisschen Nervosität merkt man ihr dementsprechend an. Wofür freilich kein Grund besteht. Das, was aus den Boxen kommt, schließt nahtlos an ihre bisher überzeugenden Arbeiten an. Mit Veröffentlichungen wie »Blindhouse / Lucky Charme« oder »Lovelace... and more« hat sie sich binnen weniger Vinylminuten in die Herzen der Technoszene gespielt – unzählige Bookinganfragen weltweit können nicht irren.
Ada verbindet den melancholischen Dream-House von Superpitcher (Total Confusion, Kompakt) mit der energetischen Bassdrum so vieler Stadtkollegen. Selten klang Minimaltechno gleichzeitig so poppig, spielte so gekonnt mit Trancereferenzen und Rockbegeisterung. Wenn sie mal nicht singt, sorgen die eingängigen Melodien für den hohen Dreampopfaktor. Sie reitet nicht den einen Stil tot, sondern kombiniert Deephouse Chicagoer Prägung mit aktuellem New Yorker Rock, Bleeps früherer Veröffentlichungen des Warp-Labels mit dem Neo-Trance der Kölner Schule. Und am Ende entsteht eine eigene Handschrift. Und diese Handschrift lässt sich nun auch auf
Albumlänge hören.

Album für die Ewigkeit

Das Album, jener beinahe mystische Moment im Leben von Technoproduzenten, an dem sich so vieles entscheidet: Es ist nicht nur der zu füllende zeitliche Umfang, den viele als Druck empfinden, es sind die besonderen Anforderungen. Von einem Album erwartet man ein Konzept, eine künstlerische Vision. Denn Alben sind im Gegensatz zu Maxis nicht für die schnelle Vergänglichkeit produziert. Ada scheint aber wie bestimmt für das lange Format: »Die Idee ein Album zu machen war bereits nach meiner zweiten 12-Inch-Produktion da. Ich habe mich damals danach gesehnt, ein Album mit vielen, aber dafür kurzen Songs zu machen. Die 12-Inch-Stücke mussten immer eine Mindestlänge haben und dann noch möglichst für den DJ gut zu mischen sein – wobei ich mir um letzteres noch die wenigsten Gedanken machte, vielleicht, weil ich selbst kein DJ bin. Jetzt fragen mich einige Leute: Wie ist denn dein Album, sind es Clubtracks oder ist es ein Listening-Album? Aber das muss jeder für sich selbst entscheiden. «
Erscheinen wird »Blondie« bei Areal, dem Kölner Label, auf dem bislang alle ihre Maxis erschienen und das für sie mehr als nur eine Plattenfirma ist. Die drei Betreiber Metope (Michael Schwanen), Basteroid (Sebastian Riedl) und Konfekt/Schorf (Mathias Klein) sind ihre Freunde. Diese Freundschaften rühren mitunter schon aus den Tagen, als sie noch nicht in Köln lebte. Was noch gar nicht so lange her ist: Ada ist erst vor drei Jahren an den Rhein gezogen. Mit der Produktion elektronischer Musik hat sie erst danach angefangen (die Vergangenheit mit diversen Gitarrenpopbands soll nicht unerwähnt bleiben!), eigentlich auch nur durch einen Zufall: Ein Freund vergaß seinen Korg-Sampler bei ihr, woraufhin sie mit dem Instrument zu improvisieren begann und Gefallen an dieser anderen Art der Musikgestaltung fand. Kurz darauf war die erste Maxi »Blindhouse / Lucky Charm« fertig und erschien bei Areal. Der Vorteil einer solchen Nähe zum Label: alle Entscheidungen werden auf kurzem Weg getroffen und unter voller Berücksichtigung der Wünsche Adas. Letzteres ist insofern wichtig, als sie nicht nur von ihrer Musik eine klare Vorstellung hat, sondern sich auch sehr bewusst mit der ästhetischen Präsentation auseinander setzt.

Keine Fließband-Produzentin

Wer sich übrigens wundert, was es mit dem Namen auf sich hat: Er stammt aus einem Horror-Hörspiel, in dem es um ein Blindenheim für Zombies geht. Die Aufseherin, die die Zombies mit Frischfleisch belieferte, hieß Ada. Sieht die Produzentin Ada ihre Rolle im System Techno dementsprechend? »Nein, ich würde die Hörer meiner Musik nie als Zombies bezeichnen und sehe mich selbst auch nicht als ›Frischfleisch-am-Fließband-Produzentin‹. Mit meinen Produktionen lasse ich mir immer sehr viel Zeit und sitze manchmal wochenlang an einem Track, bis ich hundertprozentig zufrieden bin.«

Info
Ada, »Blondie« erscheint auf Areal Records/
Kompakt.