Zweischneidige Schnitte

Butterbrot und Filterkaffee - Bernd Wilberg mißtraut der neuen Einfachheit auf dem Esstisch

Bistros und Cafés preisen neuerdings die Wonnen des Filterkaffees an. Recht so! Denn wir haben jetzt alle wirklich genug H-Milch-Häubchen weggeschlürft. Der Irrsinn schlug ja bereits Kapriolen: Für Kinder wurde aufgeschäumte Milch auf die Karte gesetzt, damit die Kleinen Mami und Papi nacheifern. Also Schluss damit, und her mit dem neuen alten Filterkaffee!

 

Zugleich erobert ein ähnlicher Trend die deutschen Städte: Das Butterbrot ist zurück! Die Stullen-Nostalgie passt zum Komplex der urbanen Mega-Trends. Das, was einst als bieder galt, wird als Teil einer neuen, modernen Lebensführung umgedeutet: Gärtnern, Wandern, Handarbeit, Basteln. Man versteht dies jetzt als konsumkritisch und authentisch. Dazu passt der Kult um einfaches, ehrliches Essen und Trinken. Und gibt es etwas Einfacheres als Filterkaffee und belegte Brote?

 

Sicher, wir können darin ein längst notwendiges Gegengewicht zu den Tollheiten des Konsums, auch in der Gastronomie, sehen. Es stimmt ja, dass viel Überkandideltes angeboten wird und dabei tatsächliche Kulinarik nur imitiert wird. Nur sollten wir darüber nicht vergessen, dass es eben nicht nur gutes einfaches Essen, sondern auch sehr gutes aufwändiges, ja, kompliziertes Essen gibt.

 

Insofern ist der Kult um die Schnitte zweischneidig. Vermittelt es doch den Eindruck, alles Gute wäre einfach. Bei Pommes und Hamburgern hat diese Behauptung schon verfangen. Im Gegensatz dazu kann freilich das Butterbrot als Einstieg in wahre Geschmacksbildung dienen: Selbst Menschen, deren kulinarisches Interesse sich auf Bekanntes und allzu Bekanntes beschränkt, trauen sich beim Butterbrot an Aufstriche heran, bei denen Aromen ungewöhnlich kombiniert werden.

 

Jedoch ist das kein Grund, solche Butterbrot nun doch wieder wie eine Delikatesse vordersten Rangs zu bewerben – und dann überteuert zu verkaufen. Und das, wo Brot einzukaufen und einen leckeren Aufstrich zuzubereiten, nicht viel Arbeit darstellt.

 

Und überhaupt: Was benötigt man für ein gutes Butterbrot? Richtig: Butter und Brot. Es gibt hervorragende Butter, und wer davon gekostet hat, dem schmeckt das, was im Supermarktregal steht, nicht mehr. Und es gibt immer noch sehr gutes Brot hierzulande. Das wäre nun wirklich sehr einfaches Essen und dennoch lecker. Dazu passt übrigens Filterkaffee.