Vorbild Andernach: Mehr Gemüse als Einwohner | Foto: andernachernachbarschaft.de

Basilikum fürs Volk

Wenn es nach den Grünen geht, sollen Kölner Parkflächen bald Ernteland sein

Allein das Wort schon: Öffentliches Grün. In der Kölner Amtssprache sind das Bäume, Sträucher und Rasenflächen. Städtisches Eigentum also, doch bald schon sollen die Bürger mehr davon haben, als nur leises Rauschen in den Blättern. Anfang des Jahres stellten die Grünen einen Antrag zur »ökologischen Aufwertung der Grünflächen« in der Bezirksvertretung Ehrenfeld, bald darauf zogen Lindenthal und Rodenkirchen nach. Bei Neupflanzung in allen öffentlichen Grünflächen der Stadtbezirke soll essbaren Nutzpflanzen in Zukunft der Vorzug gegeben werden. Das, so heißt es im Antrag, fördere die Kulturpflanzenvielfalt und schaffe neue Lebensräume, für Insekten, Vögel und andere Tiere.

 

Wie sich der Beschluss konkret umsetzen lässt, soll nun das Grünflächenamt ermitteln, das bislang in Ehrenfeld vor allem auf Kastanien- und Walnussbäume gesetzt hatte. Mit der Idee der essbaren Stadt sollen aber auch Kräuter und Obst- und Gemüsepflanzen in Schulen, auf öffentlichen Gebäuden und Sportplätzen Wurzeln schlagen.

 

Vorbild könnte die rheinland-pfälzische Stadt Andernach sein, ein 30.000-Seelen-Örtchen, zum Anbeißen schön. Hier wachsen seit 2010 Gemüse- und Obstbeete rund um die mittelalterliche Schlossruine und am Stadtrand entsteht eine 14 Hektar große Permakultur, in der Tiere und Pflanzen in einem nachhaltigen Kreislauf miteinander leben und wachsen.

 

Wenn es nach den Grünen geht, soll Köln bald auch so aussehen. Christiane Martin, Fraktionsvorsitzende in Ehrenfeld, fordert daher: »Basilikum statt Geranien!« Sie sieht in den positiven Beschlüssen der Bezirksvertretungen vor allem das Signal, dass ökologische Perspektiven endlich Einzug in die Stadtplanung halten. Mit ihrem Antrag möchte sie dazu beitragen, dass städtische Grünflächen nicht nur in ihrer Ästhetik und Erholungsfunktion, sondern auch aus der Perspektive ökologischer Nachhaltigkeit ernst genommen werden.

 

»Stellen Sie sich vor, Gemüsebeete am Aachener Weiher. Da pinkelt mir doch der Hund auf den Kohl« (Joachim Bauer)

 

Doch wie viel Potential hat das Säen und Ernten zwischen Häuserfassaden und Straßenzügen in einer Großstadt wie Köln? Bei einem ersten Vernetzungstreffen im Haus der Architektur wurde klar: Die Urban Gardening-Bewegung hat ihre Wurzeln in der Bevölkerung und in Köln scheint die nicht besonders erpicht auf Blumenkohl in Blumenbeeten zu sein. Das gilt auch für Bezirke, in denen die Begeisterung für eine nachhaltige Lebensweise eigentlich groß ist. »Mit 700 Postkarten haben wir vor ein paar Jahren versucht, die Anwohner des Pantaleonsviertels für einen Gemeinschaftsgarten zu begeistern,« erzählt Ute Becker vom Netzwerk Urbanes Grün. Gerade einmal fünf meldeten sich darauf zurück. Für sie ist klar: Wenn sich die Kölner Bürger, wie in Andernach, um die Pflege der Pflanzen kümmern sollen, werden die Salatblätter bald schon schlapp herunterhängen.

 

Auch der stellvertretende Leiter des Grünflächenamtes, Joachim Bauer, hat Zweifel an der Umsetzung des Projekts: »Stellen Sie sich mal vor, Gemüsebeete am Aachener Weiher. Da pinkelt mir doch der Hund auf den Kohl.« Für ihn ist deswegen erst einmal wichtig, den Ist-Zustand der essbaren Pflanzen in Köln zu dokumentieren. Das Selbsternteprojekt Gartenglück mit mehr als 300 Parzellen, die Pflanzstelle in Kalk und halb vergessene Orte wie der Holunderhain nahe der Nußbaumerstraße, all dies will Bauer in einer Karte sichtbar machen.

 

Keine schlechte Idee, wo doch auch in der Urban Gardening-Szene der bewusste Umgang mit Ressourcen hoch gehalten wird. Warum also noch pflanzen, wenn doch direkt um die Ecke ein Mirabellenbaum reife Früchte trägt? Die Krux an der Karten-Idee: Sich beim Ernten das Genick zu brechen, könnte für die Stadt teuer werden. Es könnte dann, so Joachim Bauer, schnell zu versicherungstechnischen Problemen kommen.

 

In den Diskussionen um das Konzept der essbaren Stadt zeigt sich deutlich: Köln kann nicht Andernach sein und Urban Gardening ist keine Idee, die sich im Rahmen eines Bezirksbeschlusses verordnen lässt. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Landesregierung Ende vergangenen Jahres erstmals Finanzmittel von 100.000 Euro für Urban Gardening in ihrem Haushalt vorgesehen hat. In einem Land, in dem man den Rasen nicht betreten darf, lässt sich eben nur schwer Revolution machen.