Hier gibt’s nichts zu sehen: Ermittlungen nach der Keupstraßen-Bombe | Foto: Herby Sachs / version

Grobkörniger Verdacht

Es gibt neue Spekulationen um NSU-Helfer in Köln

Sie hat blond gefärbte Haare und trägt ein Oberteil mit Spaghetti-Trägern, er trägt ein T-Shirt mit dem Aufdruck »Costa Rica«. Auf grobkörnigen Videobildern sieht man die beiden am 9. Juni 2004, dem Tag des Bombenanschlags auf die Keupstraße, vor dem Viva-Gebäude in Mülheim. An einer Stelle des Videos haben sie kurz Blickkontakt mit NSU-Mitglied Uwe Mundlos, zudem tragen sie ein Papier. Für den Stadt-Anzeiger könnte das ein Erkennungszeichen sein, der Autor nennt das Pärchen deshalb einen »Schlüssel« für die Beantwortung offener Fragen rund um die NSU-Bombe in Mülheim. Ihre Identität ist nicht geklärt — es könnten Neonazis sein, Kenner der Szene bringen jedoch auch die Möglichkeit ins Spiel, dass es sich um Zivilfahnder handelt. Fest steht, dass das Paar niemals von der Polizei befragt wurde. Das befeuert einen alten Verdacht: Der NSU muss Unterstützer hier in Köln gehabt haben.

 

Die Quelle dieses Verdachts ist das NSU-Trio selbst. Schon in seinem Bekennervideo vom November 2011 bezeichnete es sich als »ein Netzwerk von Kameraden«. Seitdem haben sich zudem 240-mal Nazis bei ihren Verbrechen auf den NSU bezogen, wie eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag ergab. Der NSU hat Fans.

 

Die Frage ist, ob diese Fans auch aktive Unterstützung geleistet haben. Schon im vergangenen Sommer war aufgefallen, dass das Phantombild des Mannes, der die Bombe in der Probsteigasse deponierte, dem Neonazi Johann H. ähnelte. Der gehört zum engeren Kreis des Pulheimer Nazis Axel Reitz, der sich gerade in Koblenz vor Gericht verantworten muss. Er ist auch auf Fotos zu sehen, mit denen der WDR kurz nach seiner Selbstenttarnung im Herbst 2011 eine Verbindung des NSU zu den Erftstädter Nazis herstellen wollte. Laut dem WDR-Bericht hat das NSU-Trio Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt im Herbst 2009 eine Versammlung von Axel Reitz in einer Gaststätte in Erftstadt besucht. Reitz hat die Begegnung gegenüber dem WDR und der Polizei immer bestritten, obwohl bekannt ist, dass er Kontakte zum Thüringer NSU-Umfeld hatte.

 

Im NSU-Prozess in München sind weder Reitz noch Johann H. geladen worden. »Das Gericht will den Prozess schnell beenden«, meint die Anwältin Edith Lunnebach, die im Prozess die Familie aus der Probsteigasse vertritt. Eine Akte, die weiteres Licht auf Johann H. werfen könnte, werde zudem vom Verfassungsschutz als »vertraulich« eingestuft und könne deshalb nicht im Prozess verwendet werden.

 

Nicht erfolgte Verhöre, Akten, die unter Verschluss gehalten werden — kein Wunder, dass der Verdacht weiter besteht, dass die staatlichen Behörden besser über den NSU informiert waren, als bislang bekannt ist. Bei der Aufklärung helfen können die NSU-Untersuchungsausschüsse in den Ländern. In Hessen und Baden-Württemberg gab es bereits erste Erkenntnisse, in NRW bislang noch nicht. Das muss nichts bedeuten: Die Arbeit des Ausschusses soll erst mit der Legislaturperiode enden — im Jahr 2017.