Vernetzt und gehetzt

Jan Neumann zeigt in die »Die Abschaffung der Nacht«, dass verkabeln nicht verbinden bedeutet

Nach zwei Jahren Recherche präsentiert Regisseur Jan Neumann sein Ergebnis zum historischen Ort der Interimsspielstätte des Schauspiel Köln, dem Carlswerk, wo vor über 140 Jahren Franz Carl Guilleaume eine Produktionsstätte für Kabel, Seile und Drähte eröffnete.

 

Bevor es melancholisch wird, geht »Die Abschaffung der Nacht« mit Slapstick und Running Gags los. Benjamin Höppner gibt urkomisch einen Monolog, der in einer verspulten Art die Geschichte des Telegraf erzählt, der im 19. Jahrhundert erfunden wurde: der Beginn der ununterbrochenen Erreichbarkeit. Jene transatlantischen Telefonkabel, welche uns heute mit Anschluss an all unsere technischen Geräte auf Trapp halten, aber auch die Welt vernetzen, wurden im Carlswerk produziert. Ebenso Stromkabel, welche seitdem die permanente Verfügbarkeit von Elektrizität sprich Licht bei Nacht gewährleisten und last but not least das digitale Leben überhaupt erst ermöglichen.

 

War das Zwischenergebnis »Carlswerk I«, das im letzten Jahr Premiere feierte, noch stark dokumentarisch geprägt, blitzt das gesammelte Material hier nur noch sporadisch auf; das Kabel als Leitmotiv bleibt aber erhalten. Im Hintergrund der Bühne flackern Neonröhren, auf drei großen Leinwänden werden abstrakte Bilder und kleine Filmsequenzen eingespielt. Eine Theaterbühne ist angedeutet, überall stehen elektrisch betriebene Leuchtschilder, ein mächtiger Plastikfisch nimmt den Bühnenrand ein. Ausschnitte einer durchelektrisierten Lebenswelt bekommen wir zu sehen, etwa von zwei Frauen, die wohl das typisch modernde Leben derer führen, die heute auf dem Gelände arbeiten. Sie sind gestresst, ihre Handys klingeln pausenlos, Zeit für sich selbst finden sie nicht. Die eine ist Schauspielerin, die andere versorgt zwei Kinder und ihren Mann mit Burnout. Der gemeinsame Freund Tobias ist an Krebs erkrankt und wird sterben. Am Krankenbett begegnen sie der Mutter, einer Altenpflegerin, die in einer Romanze auf ein neues Glück hofft.

 

Die schnellen Szenenwechsel zeigen eine große Bandbreite von Emotionen; Witz und Tragik spielt das Ensemble durchweg mit gutem Timing und viel Energie. Allerdings ergeht sich die Inszenierung in viele Plattitüden, so dass dieses Mosaik aus Alltagsszenen und Geschichte des Carlswerks mitunter wie eine überdrehte Komödie wirkt. Das unterhält sehr gut, liefert am Ende außer einer Bestandsaufnahme unserer technisch vernetzten und sozial verbindungsarmen Welt aber zu wenig Erkenntnis.

 


»Die Abschaffung der Nacht«, R. Jan Neumann,
2., 21.4., Schauspiel Köln im Depot 2, 20 Uhr