Schwarzlicht

Dem Gleichnis vom Propheten, der im eigenen Land kein Gehör findet, könnte Stan Jones eine moderne Variante beifügen: In Nordamerika hielt man seine Geschichten nicht für markttauglich, erst nach großen Erfolgen in Deutschland fand er mit seinem neuen Roman »Schamanenpass« in den USA einen Verlag.
Nathan Active, der Bundespolizist mit Eskimoblut in den Adern, soll den Tod des alten Victor Salomon aufklären. Der wurde beim Eislochfischen umgebracht, mit einer verwitterten Harpune, die eigentlich zu »Onkelchen Frost« gehört, einem vor Jahrzehnten erfrorenen Eskimo namens Natchiq, dessen konservierte Leiche aus dem Heimatmuseum von Chuckchi gestohlen wurde. Der Mord, so zeigt sich bald, rührt tief in die Vergangenheit, in das fragile Verhältnis zwischen Ureinwohnern und Besetzern; in die Zeit, als die Schamanen noch das Sagen hatten im heutigen Alaska.
Hoch oben in den Bergen, in der klirrenden Kälte eines beißenden Schneesturms, findet der Trooper schließlich die Lösung, in einem dramatischen Showdown mit offenem Ende. Nicht nur mit den Mitteln des Kriminalromans, sondern vor allem auch mit denen der Abenteuergeschichte erzählt Stan Jones von Actives Ermittlungen. Vergangenheit und Gegenwart der Ureinwohner Alaskas spiegelt er dabei auf zweierlei Weise: In der (inneren) Geschichte des Polizisten und in der (äußeren) seiner Ermittlungen.
Die zentrale Figur des Natchiq basiert auf realen Begebenheiten. Sie beschreibt einen heute fast vergessenen, sozialreformerischen Schamanen, der seine Leute im 19. Jahrhundert auf die Herausforderungen der hereinbrechenden Moderne vorbereiten wollte. Trotz des Titels kein Ethnokitsch also, vielmehr ist »Schamanenpass« eine Art ethnologischer Kriminalroman von herausragender Qualität – und eine Hommage an die Verlierer der Kolonisation Alaskas.

Stan Jones: Schamanenpass. Aus dem Englischen von Peter Friedrich, Unionsverlag, Zürich 2004, 285 S., 19,90 €.