Die Klänge von Spargel und Linsen

Raed Yassin weiht mit »Karaoke« den neuen Academyspace ein

»Erst umarmen, dann kitzeln« wolle er den Betrachter, erzählt Raed Yassin in einem Interview anlässlich seiner Auszeichnung mit dem renommierten Abraaj Group Art Prize für Künstler des Mittleren Ostens. Der stämmige Beiruter trägt Sonnenbrille, aber die riesigen Sonnenblumen auf seinem Hemd lachen dafür umso mehr in die Kamera. Tatsächlich kommen seine Werke auf den ersten Blick leichtfüßig und oft witzig daher, bedienen sich bei Elementen der Popkultur und des Dekorativen und sind bei näherer Betrachtung doch komplex, spannungsgeladen und nicht selten melancholisch. 

 

Mit Bildern, Sound, Texten und konzeptuellen Arbeiten im Gepäck reist der 1979 geborene Künstler und Musiker nun nach Köln, um den neuen Ausstellungsraum der Akademie der Künste der Welt einzuweihen. Mit dem »Academyspace« unweit des Stadtgartens in den ehemaligen Räume der Galerie Teapot hat man einen dauerhaften Ort gefunden, um die bislang über die Stadt verteilten Aktivitäten besser zu bündeln. Vor allem für Ausstellungsprojekte bietet sich die zentral gelegene und bereits in der Szene verankerte Adresse an. 

 

Als erster Künstler im neuen Domizil hat Raed Yassin mit seiner Ausstellung im Rahmen des Akademie-Festivals »Pluriversale II« einen besonders vollen Terminkalender: Künstlergespräche, eine Performance seines CookSongBook (hier lassen sich die Klänge von Spargel, Linsen und mehr erleben), Führungen, auch ein Konzert stehen auf dem Programm. Für den umtriebigen Libanesen aber wohl die leichteste Übung.

 

Aufgewachsen mit dem arabischen Film ist er besessen von dessen Bildsprache, der Musik und seinem Einfluss auf die kollektive Erinnerung. So verwendet er etwa in seiner Videoarbeiten »Disco« eine hypnotisch bearbeitete, historische Filmaufnahme, um seinen in den 80er Jahren in Beirut ermor-deten Vater als ägyptischen Leinwandstar auferstehen zu lassen. Im Video »Tonight« inszeniert er seine Familie vor dem Fernseher als tonloses Tableau Vivant, das sich durch immer neue Bildstörungen als fragiles Konstrukt darstellt.

 

Seinen neuen Film »Karaoke«, den er in der Ausstellung erstmals präsentieren wird, beschreibt Raed Yassin als Annäherung an die Scham künstlerischen Versagens. Zusammen mit animierten Neon-Wandarbeiten, die mal »Allah« und »Falafel« anpreisen, mal »Matthew Barney My Ass« oder »Tracy Emin stinks« schimpfen, sicherlich eine ebenso persönliche wie politische Schau.