Christian Werthschulte ist Politikredakteur der StadtRevue und verfolgt den OB-Wahlkampf ­amüsiert per Social Media.

Die neue Unübersichtlichkeit

Nach der Neuauszählung der Kommunalwahl entscheidet der OB-Wahlkampf über die ­Ratsmehrheit

Der OB-Wahlkampf läuft an und schon kommen die ersten ­Fragen auf. Grund dafür ist eine etwas vertrackte Situation. Nach der Neuauszählung der Kommunalwahlstimmen in Rodenkirchen hat der SPD-OB-Kandidat Jochen Ott sein Ratsmandat verloren. Das ist nichts, was man mit einem Rücktritt und einem Nachrück­verfahren nicht lösen könnte. Schwer­wiegender ist, dass damit SPD und Grüne über keine Ratsmehrheit mehr verfügen. Aber auch das ist nichts, was man nicht lösen könnte. In der Vergangenheit gab es eine Minderheiten­koalition und zur Not kann man ja auch bei der Linken, den Piraten oder Deine Freunde um Unterstützung anfragen.

 

Diesmal steht dem allerdings der OB-Wahlkampf entgegen. Die parteilose Sozialdezernentin Henriette Reker tritt als gemeinsame Kandidatin von Grünen, CDU und FDP gegen Ott an — mit guten Erfolgsaussichten. Reker hat mehr Verwaltungserfahrung als ihr Gegenkandidat und eine breite Unterstützerbasis. Erst Anfang Mai erklärten Ex-OB Fritz Schramma (CDU) und das liberale Talkshow-Urgestein Gerhart Baum ihre Unterstützung für Reker — also das alte Kölner Bürgertum. Reker verspricht eine »transparente« Verwaltung als Gegenentwurf zum SPD-Klüngel und will sich für ein sozialeres Köln einsetzen. Leider ist Intransparenz nicht nur eine Frage des SPD-Parteibuchs. Der verlustreiche Deal bei den Messe-Nordhallen mit Josef Esch (SPD) fand unter der Ägide von Fritz Schramma (CDU) statt, am überteuerten Bau des Polizeipräsidiums war das damals FDP-geführte Innenministerium beteiligt und die umstrittenen Berater­verträgen der Kölner Sparkasse gehen auf das gemeinsame Konto von SPD und CDU. Für die eigene Glaubwürdigkeit müsste sich Reker also gegen ihre Unterstützer ­positionieren. Dazu ist sie teilweise schon bereit. Mitte Mai ­hatten CDU und FDP den Kauf von sanierungsbedürftigen ­Wohnungen durch die GAG in deren Aufsichts­rat verhindert und im Rat verteidigt. Die Grünen und Reker selbst sprachen sich hingegen für den Kauf aus.

 

Das Frage ist aber, was Reker tut, wenn der Wahlkampf ­vorbei ist und ihre Stimme entscheidend für ein Votum im Stadtrat sein wird. Wird sie bei der Verkehrspolitik die Autoparteien FDP und CDU vor den Kopf stoßen und sich auf die Seite der Rad­fahrer von Deine Freunde schlagen, die sich öffentlich zu Reker bekennen? Oder nähern sich Grüne und SPD in den nächsten Monaten trotz Wahlkampf soweit an, dass die links­liberale Mehrheit im Rat auf die Unterstützung Rekers zählen kann? Wie dem auch sei — unsichere Mehrheitsverhältnisse schaden der Kölner Politik sicherlich nicht. Ob wir dadurch ein transparenteres und sozialeres Köln bekommen, verrät uns aber nicht das Parteibuch der OB-Kandidaten. Sondern Investigativjournalismus und der nächste Armutsbericht.