Foto: Lothar Schnepf

Der Mensch ist ein Zeichner

Monika Bartholomé präsentiert ihr Museum für Zeichnung der Öffentlichkeit

Die neue Ausgabe eines christlichen Gesangsbuchs, ein Thema für die StadtRevue?

 

Nun, wenn die katholische Kirche in ihr »Gotteslob«, dem 1975 erschienenen Gebets-und Gesangbuch für alle deutschsprachigen Bistümer, erstmals freie Zeichnungen integriert und dafür die Kölner Künstlerin Monika Bartholomé anfragt, wird es schon ein Thema.

Erst recht, wenn in der musealen Präsentation dieser Arbeiten auch Bartholomés umfassendes Projekt »Museum für Zeichnung« vorgestellt wird. Für die Ausstellung hat Kolumba seine erste Etage freigeräumt: Das Museum im Museum präsentiert in Originalzeichnungen, Postkarten, Publikationen und Filmen eine persönliche und zugleich umfassende Definition der Zeichenkunst. In ihr finden die Werke fürs »Gotteslob« mit Tattoos, Kalligraphie, Comics, Ritzzeichnungen und Animation gemeinsame Nenner.

 


Frau Bartholomé, wie entstanden die Zeichnungen für das »Gotteslob«?

 

Da es nicht darum ging, Illustrationen zu bestimmten Liedern oder Gebeten zu liefern, habe ich zunächst gezeichnet, wie ich immer zeichne. Aus den so entstandenen rund 800 Arbeiten habe ich 120 ausgesucht, aus denen schließlich 19 bestimmt wurden, die im Hauptteil abgedruckt sind. Mir war es wichtig, sowohl Pinsel- als auch Bleistiftzeichnungen dabei zu haben und den Zeichnungen ihre Freiheit zu lassen — und sie dennoch so im Buch zu verteilen, dass sich Anknüpfungspunkte im Text oder Lied ergeben können. Das war ein behutsamer Prozess, der sich über einige Monate hinzog. Neben den 19 Zeichnungen im Hauptteil gibt es in den sogenannten Eigenteilen der verschiedenen Diözesen noch etliche weitere, die man in Kolumba auch sehen kann. Dort sind es insgesamt fünfzig ausgestellte Zeichnungen.

 


Zur Eröffnung der Präsentation sagten Sie, dass es darum gehe, neue Zeichen zu finden. Scheint Ihnen dieser Prozess entfernt vergleichbar mit jenen steinzeitlichen Felszeichnungen, auf welche man gleich zu Beginn in ihrem »Museum für Zeichnung« trifft?

 

Mit den Felszeichnungen beginnt für meine Begriffe die Geschichte der Zeichnung. Das Museum für Zeichnung (MfZ) möchte diesen Aspekt herausstellen: Dass das Zeichnen und Schreiben mit der Hand wesentliches Ausdrucksmittel des Menschen und eng mit der Geschichte der Menschheit verbunden ist. 

 


Wie entstand die Sammlung?

 

Sie interessieren sich für etwas, zum Beispiel Zeichnung, sehen etwas, schneiden es aus, finden eine Postkarte, ein kleines Buch — und allmählich häuft sich Material an und Sie stellen fest: Ich muss dafür Behältnisse suchen und Kategorien schaffen und so weiter. Seltsamerweise empfinde ich mich gar nicht als Sammlerin, aber wenn mich etwas interessiert, dann hebe ich es auf. Ich suche nach Zusammenhängen und möchte Bezüge herstellen, dafür braucht es Anschauungsobjekte.

 


Mir fiel auf, dass die Kommunikation innerhalb des Raumes mit Ihrer Sammlung weit lebhafter ist als an anderen Stellen des Kolumba, ist das ein gewünschter Effekt?

 

Das freut mich, denn das wünsche ich mir, entdecken, darüber sprechen, in die Hand nehmen, selbst eine Erinnerung haben?…

 


Zugleich dehnt sich das MfZ auch auf Werke der ständigen Sammlung aus. Ist dies Teil des Konzepts, dass Ihr Museum besteh-en-de Sammlungen »entert« und dabei neue Kontexte schafft?

 

Im Kolumba Museum war es insofern einfach, da die betreffende Etage schon vorher fast ausschließlich mit Zeichnungen bestückt war. Es hat keine feindliche, sondern eine freundliche Übernahme stattgefunden?… Das Konzept des MfZ ist, in unterschiedlichen Häusern zu Gast zu sein. Das müssen nicht nur Kunstmuseen sein. Je nachdem, welcher Schwerpunkt dieses andere Museum hat, werde ich mit meiner Einrichtung und Sammlung darauf reagieren und das Spezifische des Hauses aufgreifen.

 


Halten Sie die Kunst der Zeichnung für unterschätzt?

 

In den letz-ten zwanzig Jahren hat die Zeichnung in der Kunst eine enorme Aufwertung erfahren. Allerdings gab es bis 2009, als ich das Museum gegründet habe, und gibt es bis heute eben nur mein Museum für Zeichnung, obwohl es sonst Museen für alles Mögliche gibt. Das ist doch interessant. Ich vermute, es hängt damit zusammen, dass es zum einen die grafischen Sammlungen in den Kunstmuseen gibt und zum anderen die Zeichnung, das Zeichnen eng mit dem Alltag verbunden ist.

 


Wann hat das Museum sein Ziel erreicht?

 

Was nähme der Besucher mit? Ich hoffe, er nimmt nichts im tatsächlichen Sinne mit, auch wenn es sich zum allergrößten Teil um Reproduktionen handelt, die man anfassen darf! Im übertragenen Sinne wünsche ich mir ein grundsätzlich bewussteres Umgehen mit den eigenen Händen; das Begreifen dieser enormen Fähigkeit, die uns die Hände ermöglichen. Das Verste-hen, welche Freiheit und Unabhän-gigkeit damit verbunden ist, wenn man mit den einfachsten Mitteln — ein Stück Papier, ein Stift — etwas festhalten, notieren, aufschreiben, erfinden kann, ganz ohne Strom und elektronische Hilfsmittel.

 

Kolumba, Kolumbastr. 4, täglich außer Di 12–17 Uhr: »Monika Bartholomé — Museum für Zeichnung« zu Gast und »playing by heart«, Jahresausstellung, beide bis 24.8.