Die Kapelle der Alltagshelden

Der Fotograf Platon zeigt seine Serie »Service« in der Böhm Chapel

 

Jesus hängt hier nicht mehr. Dafür Menschen wie du und ich, Mütter und Söhne, Freund und Freundin. Platon Antoniou, britischer Fotograf mit griechischen Wurzeln, zeigt in der Böhm Chapel in Hürth-Kalscheuren fünf Fotografien aus seiner Serie »Service«. Überlebensgroß hängen sie an den hohen, wei-ßen Wänden in den Konchen der ehemaligen Pfarrkirche St. Ursula, die der Kölner Galerist Rafael -Jablonka nach der Profanisierung erwarb, umbaute und den beeindruckenden Raum seit Herbst 2010 als Ausstellungsort nutzt.

 

Platon erlangte Berühmtheit durch seine Porträts von Politikern: Ikonisch sein Porträt von Putin. Gaddafi, Obama und Snowden sind nur einige weitere Beispiele für ein-flussreiche Persönlichkeiten, die er fotografisch festgehalten hat.

 

Seine Fotoserie »Service« hat einen ganz anderen Schwerpunkt, aber dieselbe Bildsprache. Es ist sei-ne erste Fotoreportage für The New Yorker, in der er 2008 in insgesamt siebzig Fotografien die Einzelschicksale US-amerikanischer Wehrdienstleistender und ihrer Angehörigen dokumentierte. Alltägliche Menschen also, nicht anders dargestellt als die Politiker: Mit star-ken Konturen heben sich die Porträtierten vor den stets blan-ken Hintergründen ab. Sie sehen beinahe animiert aus, überzeichnet. Der Matrose Jeremiah Lineberry etwa wirkt mehr wie eine Ikone denn ein junger Bursche. Die Wirkung der Böhm Chapel tut ihr übriges: Der Raum mit seiner minimalistischen Eleganz und den raumhohen Fenstern verleiht den Ausstellungsstücken etwas Erhabenes, fast schon Sakrales.

 

Die Menschlichkeit in Zeiten des Krieges wollte Platon zeigen. Doch den Fotografien haftet etwas Übermenschliches an. Ein Widerspruch? Nicht für den Fotografen. Der erklärt: »I don’t see these people as victims but as victors.« Sieger statt Opfer: Indem er den Nachbarsjungen mit denselben fotografischen Mitteln einfängt wie den Staatspräsidenten, will er betonen, dass Macht nicht durch politische Stellung, son-dern individuelle Einstellung entsteht.

 

Es ist ein schmaler Grad. Die von der minimalistischen Architektur der Moderne inspirierten Porträts stellen zwar das Wesentliche in den Mittelpunkt, den Schmerz, den Stolz, den Zusammenhalt beispielsweise, wirken dabei aber auch unnahbar. Es fällt schwer, die dargestellten Menschen nachzuempfinden. Es scheinen Legenden zu sein, die dort an der Wand des ehemaligen Gotteshaus hängen.