Schreiben als Spaziergang: Teju Cole, Foto: TimKnox / © TejuCole

Subtile Brutalität

»Das Wort ›Zuhause‹ liegt mir im Mund wie unvertrautes Essen. Ein so einfaches Wort, dessen Bedeutung so schwer zu bestimmen ist«, legt Teju Cole dem namenlosen Protagonisten seines Debüts »Jeder Tag gehört dem Dieb« in den Mund. Nach fünfzehn Jahren in New York reist dieser erstmals zurück nach Nigeria, in dessen größter Stadt Lagos er aufgewachsen ist. Aber zuhause kann er sich dort nicht fühlen. Zwar versucht er melancholisch, den Ort seiner Kindheit zurückzuerobern, doch die Brutalität, Korruption und Hektik des Landes lassen ihn nicht zur Ruhe kommen. 

 

Das Buch erschien 2007 in einem nigerianischen Verlag und wurde nach dem internationalen Erfolg »Open City« des 1975 geborenen nigerianisch-amerikanischen Autoren nun wiederentdeckt. Es basiert auf Blogeinträgen eines eigenen Besuchs 2006 in dem Land, in dem Cole seine Kindheit und Jugend verbrachte. Die literarische Suche nach einem Zuhause zeigt viele Parallelen zum Romanbestseller »Open City«, in dem sich der Psychiater Julius durch die Stadt New York treiben lässt, mit Bekannten und Fremden Postkoloniale Theorie diskutiert und sich in innere Monologe verrennt. Sein Antrieb ist die Verdrängung, mit jedem Schritt vergrößert er die Distanz zu dem Menschen, der er einst war, und die im Subtext aufblitzende Brutalität, die tief versteckt in dem feingeistigen Kunstliebhaber Julius steckt, wird schließlich Realität. 

 

Auch »Jeder Tag gehört dem Dieb« besticht durch die langen Spaziergänge des Protagonisten, der staunend und ängstlich an die Orte seiner Vergangenheit zurückkehrt, sowie durch die subtile -Brutalität, die sich plötzlich entlädt und den Protagonisten die Frage stellen lässt, was das sein soll: Zuhause. Das Nigeria der Nullerjahre, das im Chaos, der Willkür paramilitärischer Gruppen und Korruption zu versinken droht, kann es nicht sein. 

 

Transnationale Literatur wurden Teju Coles Bücher genannt, und in der Tat ist es eine Literatur des Übergangs zwischen den Kulturen. Das Gehen wird zum Bild, das eine Lösung in sich birgt: In der Bewegung gibt es immer einen nächsten Schritt, der überall hinführen kann, auch wenn jeder Weg zur Sackgasse werden kann.