Supernerds

Plötzlich geht es um Penisse. Edward Snowden blickt irritiert durch seine randlose Brille, doch Comedian und Talkmaster John Oliver lässt nicht locker. Schließlich erregten sich Menschen ja nur bei der Frage: »Können die Geheimdienste meine Penisbilder sehen?« Snowdens Antwort: Es gebe kein Programm »Dickpics«, aber natürlich könne die NSA die Nacktfotos von Bürgern im Netz abgreifen. Anschließend erklärt der Whistleblower, wie das geht. Es ist vollbracht. Amerika empört sich.

 

Auch in Köln wird man sich empören, es ist kaum vorstellbar, es nicht zu tun. Hier ist es Angela Richter, die aufklären will. Die Regisseurin will mit theatralen Mitteln in ihrem neuen Stück »Supernerds« simulieren, wie es ist, wenn alles angezapft werden kann und wird. Das Datenfutter liefern wir, die Zuschauer. Es gilt: Geburtsdatum und -ort, Mail-Adresse, Handynummer, Facebook-Profil — Daten gegen Eintrittskarte. »Ein Deal wie in der realen Welt, in der Daten gegen ›Sicherheit‹ getauscht werden«, erklärt sie. »Allerdings muss niemand Angst haben, bloßgestellt zu werden.«

 

Big Data wird also nicht nur zum Aufreger, sondern spielerisch erfahrbar. Damit zielt die Regisseurin auch auf den emotionalen Mo-ment, aber nachhaltig: »Wir wollen die Leute ermächtigen, nicht alles Obrigkeiten und Internetkonzernen zu überlassen.« Für diesen Hybrid aus Theater, Netz und TV — parallel läuft eine Live-Sendung beim Kooperationspartner WDR, die gehackt wird — hat Angela Rich-ter das Who is Who der Whistle-blower interviewt: Daniel Ellsberg, der die »Pentagon-Papers« leakte, Ex-NSA-Direktor William Binney, Jesselyn Radack, Julien Assange und natürlich Edward Snowden, den sie im Februar in Moskau traf.

 

Es ist ihre Spezialität, ihre Texte aus Recherchematerial zu destillieren, um sie für die Bühne zu fiktionalisieren. Für Supernerds hat sie aus den Gesprächen und dokumentarischem Material eine Situation der allgegenwärtigen Überwachung gefertigt. Mal tauchen die Dissidenten als Personen auf, Assange und Snowden sollen via Skype zugeschaltet werden, mal verschwimmen sie zu einer Figur. »Danach werden die Leute ein anderes Verhältnis zu ihrem Handy haben«, erklärt Richter. Das glauben wir sofort.