»Wir können nicht länger warten«: Puya Bagheri an der Osloer Straße | Foto: Manfred Wegener

Der ultimative Pinselstrich

Die GAG hat Häuser in Chorweiler gekauft. Was verspricht sie sich davon?

»Ich merke bei meinen Kids immer direkt, wenn es zu Hause geknallt hat«, sagt der 35-jährige Puya ­Bagheri. Bagheri ist Kommunikationsdesigner und Graffiti-Künstler. Für die Kinder und Jugendlichen aus Chorweiler, mit denen er seit 15 Jahren Kunst- oder Musikprojekte erarbeitet, ist er aber auch Sozialarbeiter, Ansprechpartner und vor allem einer von ihnen. »Das Wohnumfeld spielt für den Gemütszustand eine entscheidende Rolle, das können sich vielleicht manche Politiker nicht vorstellen«. Bagheri weiß, wovon er spricht, er ist in Chorweiler aufgewachsen. So könne etwa ein kaputtes, mit Müllbeuteln zugeklebtes Fenster, das wochenlang nicht von der Hausverwaltung repariert wurde, das ganze Lebensgerüst einer Familie ins Wanken bringen.

 

Den politischen Vorstoß der SPD, dass die städtische Wohnungsbaugesellschaft GAG 1200 zwangsverwaltete Wohnungen in Chorweiler ankauft und mit städtischen Fördermitteln wieder instand setzt, hält Bagheri deshalb auch für »absolut entscheidend«. Davon hänge die Zukunft der Menschen ab, »darüber reden hier alle.« Zwar sei die GAG kein Heilsbringer, aber ein Vermieter mit sozialer Verantwortung: »Es ist falsch, in einem Stadtteil wie Chorweiler auf das großangelegte, integrierte Handlungskonzept zu warten. Das hört sich zwar toll an, dauert am Ende aber Jahre und zielt dann vielleicht trotzdem an den Menschen vorbei.« Für Bagheri ist klar, dass jetzt etwas passieren muss: »Chorweiler kann nicht länger warten.«

 

Nach der letzten Ratssitzung vor der Sommerpause am 23. Juni 2015 sollte entschieden werden, dass etwas passieren wird, dass das »Chor­weiler-Paket« kommen wird. Nach monatelangen hitzigen De­batten mit Vertretern der CDU und FDP wurde jetzt die Verwaltungsvorlage »Betrauung der GAG mit dem Chorweiler-Paket« offiziell verabschiedet. Das heißt konkret: Die GAG kauft die maroden Wohnungen auf, zahlt die Gläubiger — die NRW-Bank und das umstrittene Immobilienkonsortium Talos — aus und wird von der Stadt damit »betraut«, die Wohnungen wieder instand zu setzen. Die Stadt bezuschusst das Projekt über zehn Jahre mit insgesamt 32 Millionen Euro.

 

Die Parteispitzen von FDP und CDU, die 2002 die damals angeschlagene und heute wirtschaftlich erfolgreiche GAG privatisieren wollten, hielten der Wohnungsbaugesellschaft vor, mit den bereit gestellten Mitteln könne nur eine »Pinselstrich-Sanierung« gemacht werden. Laut GAG sollen jedoch ein umfassendes Sozialprojekt mit Concierge-Stellen sowie Schuldner- und Mieterberatung aufgelegt werden. Zudem werde der Brandschutz gesichert, Schimmel beseitigt, Fahrstühle und Fenster repariert, Sanitäranlagen, Eingangsbereiche, Treppenhäuser und Flure saniert, marode Balkone erneuert, Außenanlagen gepflegt — bei einer angekündigten Mieterhöhung von nur 50 Cent.

 

Auch im zweiten Entscheidungsgremium, dem GAG-Aufsichtsrat, der drei Tage nach dem Stadtrat zusammenkam, wurde das Paket beschlossen. Das 15-köpfige Gremium hatte den Kauf im Mai mit den Stimmen von CDU und FDP sowie einem Teil der Arbeitnehmer-Vertreterinnen mit acht zu sieben Stimmen abgelehnt. Nun hat sich das Blatt jedoch gewendet: Anfang Juni hat sich der GAG-Aufsichtsrat neu zusammengesetzt. Das bisherige FDP-Mandat wurde von Michael Weisenstein (Linke) übernommen, der ein großer Befürworter des Chorweiler-Projekts ist: »Jetzt machen wir endlich Nägel mit Köpfen.«

 

Auch Puya Bagheri macht nun Nägel mit Köpfen, Ende Juni eröffnet er mit seinem Verein »Outline« einen Raum für urbane Jugendkultur im Erdgeschoss eines Häuserblockes an der Osloer Straße. Dort, wo früher ein ramschiger Kiosk war, bietet er in Zukunft Graffiti-Workshops, Kunst, Hip Hop und auch Tanz an.

 


Die städtische Wohnungsbaugesellschaft GAG stand wirtschaftlich noch nie so gut da wie in den vergangenen Jahren. Das Konzernergebnis in 2014 betrug 41 Millionen Euro und es wurden mehr als 500 Wohnungen neu gebaut. Die GAG besitzt 42.317 Einheiten, mit der Aufwertung sozial belasteter Stadtteile hat sie bereits Erfahrungen (z. B. Projekt »Mieter werden Eigentümer« in Vingst). Allein in Chorweiler gehören der GAG 1600 Wohnungen. Die Stadt Köln hält 88 Prozent der Anteile, den Rest teilen sich etwa 650 Kleinaktionäre.