Steht ohne politisches Schwergewicht da: die Orangerie im Volksgarten

Kölsche Partikularinteressen

Der kulturpolitische Rückblick auf die vergangene Theatersaison: kein Konzept, nirgends

Politik und Verwaltung stellen sich gegenseitig Beine, der typische Kölner Schlendrian, Haushaltsverschleppungen und utopische Projekte verhindern ein notwendiges Gesamtkonzept für die freie Theaterszene, die bereits zugesagte Projektmittel aus eigener Tasche vorstrecken muss. Aber der Reihe nach.

 

Das Analog Theater musste bereits Künstlern seiner neuen Produktion absagen. Das Kölner Künstler Theater kann zwei internationale Gastspiele nicht durchführen. Das Festival africologne zittert um den Zuschuss. In allen drei Fällen ist eine Förderung durch die Stadt beschlossene Sache, doch solange der Haushalt nicht verabschiedet ist, fließt kein müder Euro. Alljährlich führen Rat und Verwaltung ihre Etatposse auf, die vor allem aus Schlendrian, Verzögerung und Schuldzuweisung besteht. Zum Vergleich: Essen hat bereits im November 2014 einen Doppelhaushalt 2015/16 beschlossen, Düsseldorf im Dezember, Dortmund im Februar 2015. Die Kölner freie Szene dagegen wartet bis heute (Redaktionsschluss: 3.6.). Wer Räume gemietet, Schauspieler engagiert, Verträge gemacht hat, zahlt erst mal aus eigener Tasche, falls da etwas drin ist.

 

So viel zur Projektförderung. Doch auch die vierjährige Konzeptionsförderung der freien Szene hängt ab diesem Jahr in der Luft. Der Theaterbeirat, an dessen Entscheidung der Autor beteiligt war, hatte neun Theater als förderwürdig nominiert. Vier weitere sah er als gleichwertig an. Für die reicht allerdings das Geld nicht aus. Was folgte, war ein entwürdigendes Gezerre um 300.000 Euro mehr, das bis heute nicht entschieden ist. Im Haushalt sollen derzeit 200.000 Euro eingestellt sein. Teile daraus stammen jedoch bereits aus dem Etat der Szene, etwa aus dem Gastspieltopf — siehe oben.

 

Entwürdigend ist dieses Feilschen vor allem für die freie Szene. Im Mai hat die Politik nämlich den Bühnen der Stadt mal eben so rund 6,5 Mio. Euro für Entschuldung, Tarifsteigerung und Interimskosten zugeschustert. Welches freie Theater erhält separate Zuschüsse für den zu zahlenden Mindestlohn oder ist zuletzt entschuldet worden? Weitere 1,5 Mio. Euro gibt’s für den Neustart im sanierten Haus. Und en passant wurde die Erhöhung des Gesamtetats der Bühnen um jährlich 2,5 Mio. Euro schon mal vorauseilend in die mittelfristige Finanzplanung eingestellt, ohne darüber eine öffentliche Diskussion zu führen. Wer da noch an die schmeichlerischen Wortblasen der Politik von der Gleichwertigkeit der freien Szene glaubt, ist selber schuld.

 

In den acht Jahren Mitarbeit im Theaterbeirat hat sich dem Autor nicht der Eindruck aufgedrängt, dass die Kölner Politik über ein ästhetisch, organisatorisch und strategisch fundiertes Gesamtkonzept für die freie Theaterszene verfügt. Es geht um Partikularinteressen. Viele Kulturpolitiker sitzen in den Vorständen freier Theater und kämpfen primär für »ihr« Haus.

 

Aktuelles Beispiel sind die Winkelzüge um die Sanierung des privaten Millowitsch-Theaters. Das Haus gehört der Freien Volksbühne Köln. Deren Vorstandsvorsitzender Hans-Georg Bögner, zugleich Vorstandschef des Bauturm-Theaters, Chef der SK-Stiftung Kultur und früherer kulturpolitischer Sprecher der SPD, hat schon mit seiner Wahl klar gemacht, wohin die Reise geht: An die öffentlichen Fleischtöpfe. 1. Station: Die 1,6 Mio. teure Sanierung des Hauses. Angeblich haben die landeseigene NRW Stiftung, der Landschaftsverband Rheinland (LVR) und die Stadt Köln Fördergelder zugesagt. Doch als Kulturdezernentin Susanne Laugwitz-Aulbach einen Zuschuss dementierte, wurde auch der Betrag des LVR fraglich, der ein kommunales Engagement voraussetzt. Derzeit wird nach einer Geldquelle wie etwa der Kulturförderabgabe gesucht, bei der die Dezernentin nicht mitzureden hat. So könnten der Privatbühne doch noch Steuergelder beschafft werden. Gleichzeitig kämpft die Orangerie aussichtslos um ihre ähnlich teure Sanierung — mit dem kleinen Unterschied, dass das Haus im Volksgarten in städtischem Besitz ist. Ihr Manko: Es fehlt ein kulturpolitisch-trickreiches Schwergewicht im Vorstand. Pech gehabt.

 

Partizipative Verfahren brauchen mehr Zeit als politisches Strippenziehen und kosten Nerven. Seit September 2014 köchelt das Lieblingsprojekt der Kulturdezernentin vor sich hin: Ein Produktions- und Aufführungszentrum der freien Theater-, Tanz-, Musikszene und Medienkunst. Drei Treffen mit der Szene hat Kulturamtsleiterin Barbara Foerster bereits abgehalten, nun will sie sich Rückendeckung und Geld für eine Konzeptentwicklung bei der Politik suchen. Grundsätzlich mag ein Produktionszentrum ja begrüßenswert sein. Es setzt allerdings einen enormen Gestaltungswillen voraus, um vier Sparten unter einen Hut zu bringen sowie Finanzbedarf, Logistik oder Neustrukturierung der Szenen durchzusetzen. Das Kulturdezernat mag träumen, die partikularistische Kulturpolitik und katastrophale Haushaltslage sprechen dagegen.

 

Ähnlich schwierig erscheint auch der Streit um die Fortschreibung des Kulturentwicklungsplans, bei dem das Kulturdezernat eine externe wissenschaftliche Federführung vorgeschlagen hatte und dafür von Politik und freier Szene regelrecht abgewatscht wurde. Moderator Patrick Föhl vom Netzwerk Kulturberatung erhielt bereits nach einem Probegespräch die rote Karte. Eine Lösung ist nicht in Sicht. Wie so oft stellen sich Politik und Verwaltung am liebsten gegenseitig ein Bein. Köln ist und bleibt eine Stadt, die sich gerne hochkomplexe Probleme einredet, um den Schlendrian bereits bei einfachen Hausaufgaben zu rechtfertigen. Wer sich beklagt, erhält als Antwort ein Achselzucken — mehr ist nicht drin.