Gleich kommt der Martin: Musiker helfen Flüchtlingen | Foto: Manfred Wegener

Rap aus der Glanzstofffabrik

In Niehl leisten Musiker Nachbarschaftshilfe für Flüchtlinge

Ein professionelles Tonstudio und eine Flüchtlingsunterkunft — unter einem Dach und in unmittelbarer Nachbarschaft. Dass das möglich ist, zeigt ein Projekt der Künstlergruppe um Martin Jungck und Matthias Mörs. Seit Juni 2014 teilen sich die Betreiber des »Parkhaus Studios« mit den Flüchtlingen das ehemalige Direktionsgebäude der alten Glanzstofffabrik im Niehler Industriegebiet.

 

Seit mehr als drei Jahren hat das Parkhaus-Studio hier in der Neusser Landstraße seinen Sitz. Künstler  wie OK Kid, Maxim oder Stefanie Heinzmann haben dort schon ihre Platten aufgenommen. Doch 2013 drohte das Aus: Um Flüchtlinge unterzubringen, sollte das Parkhaus Studio eigentlich wie die anderen Mieter aus dem alten Backsteingebäude ausziehen. Doch die Parkhaus-Crew überlegte sich ein Konzept für die gemeinsame Nutzung mit den Flüchtlingen. Vor allem die Idee, regelmäßig Musik-Workshops für die Flüchtlinge anzubieten, überzeugte die Stadt, das Studio an seinem angestammten Ort zu belassen. Im Gegenzug gab es für die Musiker keine Mieterhöhung von der Stadt.

 

Die Kurse finden an drei Tagen pro Woche statt. Jungck ist Rapper und gibt einen Rap-Workshop, hinzu kommen Gitarren- und Schlagzeugkurse von studierten Musikerkollegen. Einer der Gitarrenkurse wurde aber eher zum Tanz- und Rhythmusworkshop, was am Alter der Teilnehmer liegt, die zwischen 3 und 6 Jahren alt sind. Bei den Kindern kommt es gut an. »Martin, heute Musik?«, ruft der kleine Marvin, sobald Jungck im Wohnbereich auftaucht. Heute ist aber Donnerstag und kein Musikunterricht. »Dass es für die Workshops feste Termine gibt, kann man manchen Kindern nur schwer beibringen. Einige Familien sind einfach nicht an feste Strukturen gewöhnt«, sagt Jungck. Deswegen holt er die Kinder manchmal höchstpersönlich zum Unterricht ab.

 

Etwa 110 Flüchtlinge sind an der Neusser Landstraße untergebracht, sie bewohnen drei Stockwerke des Gebäudes. Die meisten kommen aus den Balkanstaaten, einige wenige auch aus dem Irak, Syrien, Tschetschenien, Nigeria oder Äthiopien. So unterschiedlich ihre Herkunft, so sehr variieren auch ihre Sprachkenntnisse. Die Älteren können nur wenig Deutsch, manche können Englisch, mal übersetzt jemand und sonst hilft auch schon mal der Online-Übersetzer. Gerappt wird aber auf Deutsch: »Mir ist wichtig, dass die Kids sich selber einbringen und mit der Sprache umgehen, auch wenn der Inhalt jetzt nicht unbedingt Sinn ergibt«, findet Jungck. Was sie gelernt haben, können die Kinder im nächsten Jahr zeigen: Auf einem Festival, bei dem Laien und  Profi-Musiker gemeinsam auftreten.