Miss Liberty made in China

Das bislang größte Stück eines im wahrsten Sinne »Work in Progress« hält Einzug im Museum Ludwig. Seit fünf Jahren lässt der 1975 in Vietnam geborene, in Dänemark aufgewachsene Danh V? die Freiheitsstatue in Shanghai in Originalgröße nachbauen und verfrachtet die Fragmente aus getriebenem Kupfer zu Ausstellungen rund um den Globus. Was für ein fulminantes Bild! Die Verkörperung einer weltumspannenden Idee der Freiheit, einst als Geschenk zur Mahnung und zur Selbstvergewisserung dem amerikanischen Volk als Eintrittsemblem vor die Nase gesetzt, wird als Markenplagiat in der derzeit größten Wirtschaftsmacht China nachgebaut und auf Welttournee geschickt.

 

Nicht zuletzt geht es bei »We the People« um die Repräsentation des Politischen und ihre Krise in postdemokratischen Zeiten. Hier wird augenscheinlich, dass wir gegenwärtig in einem ständigen Konflikt zwischen Idealen wie Freiheit, Gleichheit und Solidarität und ihrer zunehmend schwächer werdenden Umsetzung leben. Mit seiner monumentalen Geste ruft der weltweit hochgeschätzte Danh V? nicht nur ein vermeintlich emanzipatorisches Potenzial der Kunst auf, sondern gibt die Utopie an die Politik zurück.

 

In der Kölner Ausstellung steht das übergroße Skulpturenfragment in einem Spannungsfeld mit weiteren Arbeiten, nicht nur von V? selbst. Schon häufiger betätigte sich Vö ein Stück weit als Kurator, der mit seinen Projekten immer auch Fragen der Autorschaft und der Institutionen berührt und seine Arbeiten in ein Zusammenspiel mit Werken ihm nahestehender Künstler bringt. In Köln ist auch eine exquisite Auswahl von Fotoarbeiten des 1987 an Aids verstorbenen Peter Hujar zu sehen. Er zählte in den 70er und 80er Jahren mit seinen berührenden Schwarzweiß-Aufnahmen zu den versiertesten Chronisten und Protagonisten einer vitalen, wenn auch vom Tod gezeichneten Underground-Szene in New York. In der Zusammenschau lädt die Ausstellung dazu ein, sich in sichtbare Bezüge zu vertiefen, wohl merkend, dass es weit eher um Unsichtbares gehen könnte. Aufgefordert, uns ins Verhältnis zu den Werken zu setzen, dürfen wir erfahren, dass wir keine autonomen Individuen der Autarkie, sondern weit mehr Wesen der Verhältnisse sind.