»Das können nicht meine Eltern sein«

In »Kuckucksei« verarbeitet Regisseur Manuel Moser

die Tagträume vernachlässigter Kinder

Das Kinder- und Jugendtheater hat keine Scheu vor neuen Formen und krassen Themen — und kämpft trotzdem mit dem Vorurteil der Kinderbespaßung. Der Kölner Theatermacher Manuel Moser macht alles andere als das. Er ist ein Garant für hochwertiges Kindertheater. Jetzt feiert sein Recherche-Stück »Kuckucksei« Premiere. Der Held ist acht und sich ganz sicher: Seine Eltern sind nicht seine Eltern. Er ist adoptiert.

 


Herr Moser, wie sind Sie auf die Idee für das Stück »Kuckucksei« gekommen?

 

Vor kurzem, als ich mit Jugendlichen ein Stück erarbeitet habe, bin ich auf das Thema Vernachlässigung gestoßen. Ich habe gemerkt, dass es da ein paar gab, in deren Leben die Eltern nicht vorkommen. Mutter und Vater haben weder die Premiere besucht, noch wurden sie vorher von den Jugendlichen selbst erwähnt.

 


Sie haben zehn Kinder über ihre Tagträume befragt, aus denen Sie jetzt den Text destillieren. Es gibt aber nur einen Held in Ihrem Stück: Marvin. Wie erzählen Sie Ihr Material auf der Bühne?

 

Wir wollen alle Geschichten in der Figur »Marvin« vereinen. Es ging in den Interviews oft darum, dass man anders ist als die Eltern und nicht die nötige Unterstützung erhält. Es gibt zum Beispiel diesen einen Jungen, dessen Eltern die Couch nicht verlassen — er aber geht raus, kauft ein, macht einfach etwas. 

 


Das Stück soll aber keine Problemstudie werden…

 

Dass alle geschockt und heulend aus dem Theater gehen, will ich nicht. Wir behandeln das Thema mit Galgenhumor. Jemand, der sich identifizieren kann, also betroffen ist, soll aber erkennen: Ich kann an der Situation etwas ändern. Ich möchte verhindern, dass sich jemand als Opfer fühlt. 

 

Sie wollen die Grenzen zum Erwachsenentheater auflösen. Wie geht das?

 

Wenn ich ernsthaft auf der Bühne stehe und eine Geschichte erzähle, dann berührt uns das genauso wie einen Sechsjährigen. In diesem Stück ist der Junge sechs, sieben oder acht. Der Schauspieler ist es nicht und wird aber auch nie so tun. Die Kinder checken das zwar, trotzdem nehmen sie ihm die Geschichte irgendwann ab — genau wie die Erwachsenen.

 


Ist Kindertheater ein Trend, obwohl manche es eher belächeln?

 

Es gibt unheimlich viel gutes Kinder- und Jugendtheater. Ich hatte das Glück, Kindertheater an Häusern wie der Comedia kennenzulernen, die es sehr ernst nehmen. Viele Dinge, die jetzt im Abendspielplan normal sind, haben vorher im Jugendtheater stattgefunden. Beispielsweise der Rollenwechsel, dass Schauspieler mehrere Figuren spielen. Vor zehn Jahren hat man das im Stadttheater nirgends gesehen.