Den Cocktail zum Basaltklinker muss man selbst mixen: Rheinufertreppe in Deutz | Foto: Manfred Wegener

Aussicht auf Dom und Handy

Die Freitreppe in Deutz ist eröffnet.

Fragen und Antworten für den Smalltalk im Sonnenuntergang

 

Stadtverwaltung und kölsche Lokalpresse flippen ja seit Wochen total aus. Kann man dem Hype glauben? Lohnt es sich wirklich, am neuen Rheinboulevard in Deutz zu flanieren?

 

Bisher ist ja nur die untere Freitreppe eröffnet. Da ist nicht viel mit Flanieren, denn der Weg ist schnell zu eng. Hier setzt man sich also hin und guckt auf Sachen: Dom, Groß Sankt Martin, bunte Altstadthäuschen. Blickfang ist halt der geballte Postkartenkitsch auf der linken Rheinseite. Hat ja auch was. Das Beste sind aber die Sonnenuntergänge. Die bekommt man eben nur auf der Schäl Sick mit Rheinblick geboten. 

 

Okay, aber was ist denn nun mit der Treppe?

 

Die sieht halt aus, wie es aussieht, wenn vor zehn Jahren Landschaftsarchitekten vorschlagen, aus 5000 Tonnen Beton eine repräsentative Freitreppe zu basteln. Die rund 500 Meter Deutzer Ufer sind einerseits unspektakulär, alles soll modern, also: funktional sein. Andererseits wirkt gerade das monumental. 10.000 Menschen können Platz nehmen. Alle Blicke werden auf die Domseite gelenkt, die Treppe als Tribüne. Und der Zeitgeist der Nuller Jahre wirkt jetzt schon nostalgisch: Die Mauer zwischen Freitreppe und oberem Boulevard wurde mit unregelmäßigem Basaltklinkern verblendet. So war das bis vor ein paar Jahren hinter den Theken der besseren Bars ziemlich en vogue. 

 

Apropos! Darf ich hier trinken?

 

Ja, aber Getränke bringt man am besten selbst in der Kühltasche mit. Es gibt keine Büdchen in der Nähe. Sieht man mal von einem Bierwagen ab, der in den vergangenen Wochen hinter der Hohenzollernbrücke herumstand.

 

Sitzt man denn gut?

 

Man sitzt halt auf übergroßen Betonstufen. Eine flauschige Decke unterm Popo kann nicht schaden. Allerdings: Ab Mittag kann es im Sommer richtig heiß werden, die Freitreppe liegt dann in der prallen Sonne. Wer lieber ein bisschen im Halbschatten sitzt, muss sich bis mindestens Frühjahr 2016 gedulden. Dann soll der obere Rheinboulevard fertig sein. Dort sind dann nicht nur die archäologischen Funde zu sehen, sondern auch Bäume.

 

Kommt man gut hin?

 

Geht so. Die Zugänge sowohl von der Deutzer Brücke als auch von der Hohenzollernbrücke sind derzeit noch umständlich und nur über Treppenabgänge zu erreichen. Fahrradstellplätze fehlen. Wie das gesamte Ensemble wirkt, lässt sich erst Anfang 2016 sagen. Dann soll der obere Rheinboulevard fertig sein.

 

Warum ist der Rheinboulevard denn immer noch nicht ganz fertig?

 

Längere Geschichte. Also das kam so: Eigentlich wollte man 2011 fertig sein. Hat man sich aber verschätzt. Irgendwie hatte man nicht so richtig an den Hochwasserschutz gedacht, wenn man am Ufer arbeitet. Und dann wurde auch glatt vergessen, dass selbst auf der Schäl Sick archäologische Schätze verborgen sein könnten und nicht nur rund ums Rathaus. Plötzlich dann alle so: hä?! — denn Bauarbeiter hatten ein spätrömisches Kastell, das Fundament einer mittel-alterlichen Pfarrkirche, Reste einer preußischen Festungsanlage sowie eines Bahnhofs der Bergisch-Märkischen Eisenbahn freigebuddelt. Das soll das jetzt alles am oberen Rheinboulevard präsentiert werden. Passt natürlich nicht mit den ursprünglichen Plänen zusammen. Gibt noch Ärger.

 

Und alles ist auch teurer geworden?

 

Klaro! Das gehört bei Angeber-Projekten ja irgendwie auch dazu, oder? Ursprünglich rechnete die Stadt mit Kosten von sechs Millionen Euro. Hihi. Fast zehn Jahre später sind es nun mehr als 24 Millionen. Die Stadt zahlt davon rund 10 Millionen selbst, der Rest kommt vom Land. Der Rheinboulevard gehört zum NRW-Strukturförderprogramm »Regionale 2010«.

 

Und spätestens, wenn alles fertiggestellt ist, ist der Rheinboulevard die Alternative zu den Plätzen in der Innenstadt?

 

Tja, das wünschen sich Stadtverwaltung und Politiker. Im Rat zog man schon Vergleiche zur Spanischen Treppe in Rom! Dass dann aber zum Beispiel der Brüsseler Platz ruhiger wird, ist kaum zu erwarten. Dafür gibt es für das Publikum bislang in der näheren Umgebung des Rheinboulevards zu wenig urbane Angebote, die man vor oder nach einem Besuch hier wahrnehmen könnte.

 

Wer macht eigentlich den Müll weg?

 

Du! Also, jeder von uns. Das glaubt jedenfalls die Stadt Köln. Politik und Verwaltung ist erst spät eingefallen, dass wir Kölner ein bisschen knüsselich sind und unseren Abfall liegen lassen. Oberhalb der Freitreppe stehen immerhin Mülleimer. Wie man die erreichen soll, wenn die Treppe gut besetzt ist, bleibt das Geheimnis der Planer. Besser, man nimmt seinen Müll mit und schmeißt ihn woanders in die Tonne.

 

Und wer macht sonst sauber?

 

Die Abfallwirtschaftbetriebe (AWB). Der Rat der Stadt hat dafür 600.000 Euro pro Jahr bewilligt. Mal gucken, wie viel Dreck man für das Geld wegräumen kann. Eigentlich wollte die AWB dafür 860.000 Euro haben. Aber die Stadtspitze wartet nun einfach ab und guckt, wie sich die Kölner benehmen. Bald wird es dann heftige Debatten über schlechte Reinigungskonzepte geben. Und manche hören schon die nächste Kostenexplosion knallen: Der Boden ist nicht versiegelt, das Holzgeländer sieht schon abgegrabbelt aus. Kann also sein, dass unten schon einiges aufgehübscht werden muss, wenn oben eröffnet wird. 

 

Hm, und was ist nun so richtig super an der Freitreppe?

 

Man kann auf seinem Smartphone rumdaddeln und allen sagen, dass man gerade auf der Treppe sitzt — W-Lan gibt es umsonst. Die Stadt will ja, dass alle Werbung für Köln machen.