Willkommenskultur op kölsch: Auf einem Parkplatz in Chorweiler leben jetzt 1000 Flüchtlinge | Foto: Manfred Wegener

Zelten am Aqualand

Das Land errichtet eine Zeltlager für 1000 Flüchtlinge in Chorweiler

Nun ist eingetreten, was Claus-Ulrich Prölß vom Kölner Flüchtlingsrat schon Ende 2012 befürchtete: »Und was kommt dann? Turnhallen, Container oder gar Zelte?«, fragte Claus-Ulrich Prölß schon 2012, als erstmals Flüchtlinge in einer Turnhalle in Deutz untergebracht wurden. Heute, drei Jahre später, sind vier Turnhallen zu Notunterkünften für 700 Menschen umfunktioniert, ein leerstehender Baumarkt in  einem Gewerbegebiet in Porz-Eil angekauft, diverse Container errichtet und rund 2500 Flüchtlinge in 37 bestenfalls passablen Hotels untergebracht.  

 

Und nun der nächste Schritt in einer desolaten Flüchtlingspolitik: Rund 1000 Flüchtlinge leben seit August in einem Zeltlager in Chorweiler — auf der Bezirkssportanlage und einem Parkplatz des Freizeitbads »Aqualand«. Es ist eine Notunterkunft des Landes NRW. Die Bezirksregierung Köln hatte um »Amtshilfe« gebeten, denn sämtliche Erstaufnahme-Einrichtungen sind überlaufen. Nach ihrer Ankunft sollen Flüchtlinge hier untergebracht werden. Jedoch nur einige Tage, höchstens wenige Wochen — bis sie dann auf mehrere Städte verteilt werden. So der Plan.

 

»Das ist die Folge, wenn man keinerlei Konzept hat«,  sagt Claus-Ulrich Prölß, Vorsitzender des Flüchtlingsrates. »Damit kommen Stadt und Land ihrer Unterbringungspflicht nach, mehr aber auch nicht.« Die Ankunft für die Menschen im reichen Deutschland sei »absolut unwürdig«, so Prölß. Der Flüchtlingsrat tritt seit Jahren dafür ein, in Köln eine Erstaufnahmestelle des Landes zu errichten. Prölß schwebt ein dezentrales Modell vor, entsprechend den Kölner Leitlinien zur Flüchtlingsunterbringung. Dort solle auch die Therapie von traumatisierten Flüchtlingen im Vordergrund stehen. »Eine Einrichtung neuen Typs, sozusagen ein Leuchtturm«, sagt Prölß. Die Kosten würden vom Land übernommen und die dort lebenden Menschen auf die Zahl der Flüchtlinge, die Köln vom Land zugewiesen bekommt, angerechnet. 

 

Eigentlich liegen die Vorteile damit auf der Hand. Dennoch wurde Ende März im Rat der Stadt ein entsprechender Antrag nach kurzer Debatte parteiübergreifend abgelehnt. Eingebracht hatten ihn Linke, Piraten und die Wählergruppe Deine Freunde. Auch Wilhelm Steitz, stellvertretender Regierungspräsident der Bezirksregierung Köln, wirbt seit Jahren für eine solche Erstaufnahmestelle. »Köln ist der größte Brückenkopf für Migration in NRW«, sagt Steitz. »Hier gehört so eine Einrichtung hin.« Warum die Politik dies so vehement abgelehnt habe, verstehe er nicht. »Wir möchten neben den aus der Not geborenen Großstandorten nicht noch einen weiteren Großstandort zusätzlich«, begründete Ursula Gärtner (CDU) ihre Ablehnung im Rat.

 

Stattdessen fand damals ein  Ersatzantrag der Grünen eine breite Mehrheit. Darin wird die Verwaltung aufgefordert, bis zum Sommer »Mindeststandards« für die Flüchtlingsunterbringung zu entwickeln. Köln hat damit mal wieder eine Chance verspielt. Von einem »Leuchtturmprojekt«, wie es der Flüchtlingsrat empfiehlt, kann beim Parkplatz in Chorweiler keine Rede sein. Auch die Mindeststandards, die die Kölner Verwaltung bis dahin formulieren sollte, gibt es nicht — stattdessen einen weiteren Großstandort, angeordnet von der Bezirksregierung. 

 

18 Zelte stehen in Chorweiler — ein Bild, das man bislang nur aus den ärmsten Ländern der Welt kennt. Zwölf Zelte dienen als Schlafstätte, die anderen als Kantine, Waschraum oder für die Betreuung der Kinder. Isoliermaterialien und ein zweiter Boden sollen das Lager winterfest machen. Angedacht sei, die Zelt-Stadt bis Oktober, also vor dem Winter, zu räumen, teilt Wilhelm Steitz von der Bezirksregierung mit. Der Mietvertrag, den die Stadt mit dem Aqualand geschlossen hat, läuft jedoch bis Ende Januar 2016.

 

Ab Oktober soll eine provisorische Erstaufnahme-Einrichtung auf dem ehemaligen Gelände der Dom-Brauerei in Bayenthal errichtet werden. Das Areal gehört dem landeseigenen Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB). Hier sollen die Menschen zwei Jahre in Containern wohnen, die wie die dezentralen Container der Stadt Köln in Modularbauweise entstehen. In der Zwischenzeit will man eine langfristige Unterkunft ausbauen — so sieht es zumindest der »3-Stufen-Plan« vor, den Land und Stadt erarbeitet haben. Derzeit ist eine ehemalige, sanierungsbedürftige Bundeswehrkaserne in Porz-Lind im Gespräch. 

 

Damit nicht genug: Die Kölner Verwaltung diskutiert nun auch eigene Zeltunterkünfte für zugewiesene Flüchtlinge. Das wäre dann allerdings eine längerfristige Unterkunft — und eben nicht nur für eine kurze Zeit wie jetzt in der Notunterkunft in Chorweiler. »Wir haben als Stadt die Verpflichtung, Obdachlosigkeit zu vermeiden, und das bedeutet, dass wir auch über Zelte als letzte Möglichkeit nachdenken müssen«, sagte Kämmerin Gabriele Klug (Grüne) Mitte August in Vertretung von Sozial-dezernentin und OB-Kandidatin Henriette Reker. 

 

Allein bis Ende des Jahres fehlen noch mindestens 1000 Plätze. »Die Stadt wird auch dafür kein Konzept haben«, sagt Claus-Ulrich Prölß. »Denn sie hatte bislang nie ein  Konzept.« Dabei galt noch vor ein paar Jahren die Kölner Flüchtlingspolitik bundesweit als vorbildlich. Nach Jahren der Abschreckungspolitik unter einer CDU/FDP-Mehrheit im Rat der Stadt, die in den  skandalösen Bedingungen auf dem Flüchtlingsschiff »Transit« und einem Roma-Container-Lager auf dem ehemaligen CFK-Gelände in Kalk gipfelten, kam es 2002 unter der neuen schwarz-grünen Mehrheit zu einem Richtungswechsel: Der 2003 gegründete »Runde Tisch für Flüchtlingsfragen« hatte die »Leitlinien zur Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen in Köln« erstritten. Es war der Versuch, menschlicher mit Flüchtlingen umzugehen: dezentrale Einheiten für höchstens 80 Menschen, ausreichende Integrationsangebote und ein möglichst schneller Wechsel in eigene Wohnungen. Von Zelten war damals nicht die Rede.