Unterwerfung beim Discounter

Der Spaßvogel Rainald Grebe hat einmal einen Witz erzählt. Der geht so: »Rezept für ein gegrilltes Hühnchen: Man nehme ein gegrilltes Hühnchen.« Verstanden? 

 

Dabei weiß doch jedes Kind, dass dieser Witz zynische Realität ist: Wer beim Discounter -einkaufen geht, dem wird schon lange aufgefallen sein, dass komplette Gerichte vorgekocht und abgepackt in den Auslagen -liegen: Lasagne und Spaghetti Bolognese, Hühnerfrikassee und Eintöpfe. Die Getränke sind schon gemixt, das Müsli ist bereits eingeweicht. Harald Schmidt hat das mal so auf den Punkt gebracht: Während der olympischen Winterspiele in Turin 2006, die er mit kommentieren musste, riss er eine Supermarkt-Packung Vitello tonnato auf und verschlang angeekelt-gierig ihren Inhalt. Mit verschmiertem Mund, die Packung hochhaltend, schmatzte er: Wahnsinn, die machen das hier ganz frisch, es geht doch nichts über italienische Küche.

 

Auffällig ist, dass viele Fertig-gerichte nicht blickdicht verschweißt sind, sondern hinter Klarsicht-Plastik wabern. Sie erinnern an Erbrochenes. Ich meine das ganz sachlich: Die Gerichte sehen aus wie etwas, was die Menschen schon mal gegessen haben. Da ist keine Design-Katastrophe vorgefallen. Das ist gewollt. Und wenn es nicht gewollt ist, ist es zumindest dies: ein perverses Sinnbild von Unterwerfung und Abhängigkeit.

 

Diese Gerichte stammen aus der Esskultur der Proleten: schlichter Geschmacksfächer, Resteverwertung, kurze Vorbereitungszeit, um die vielen hungrigen Mäuler am Tisch nicht noch länger warten zu lassen. Das war die Küche der Armen, und ohne Nostalgie kann man sagen, dass sich in ihr Überlebenskunst in eine gewitzte, stolze Kochkunst übersetzte. 

 

Von dieser Kunst scheinen die zum Discounter-Besuch Gezwungenen endlos weit weg. Was sie einst selbst konnten, müssen sie sich heute in weit minderer Qualität kaufen (es geht doch nichts über italienische Küche...). Aber es reicht nicht, dass man ihnen ihr kulturelles Eigentum dreist zurückverkauft. Es muss auch aussehen, als hätte man es ihnen vorher aus dem Leib gepumpt — wie eine Qual. Denn Armut ist nicht nur »Schicksal« (Franz Josef Wagner), Armut hat auch Strafe zu sein (Wolfgang Schäuble).