Schwarzlicht

Zen im Schneegestöber

 

Was für eine grandiose Einstiegsidee: Erstaunt, irritiert, abwartend – so reagieren die Einheimischen in Liebau nahe Freiburg, als eines verschneiten Samstags ein kahlgeschorener, asiatischer Mönch auf den Stufen der katholischen Kirche Platz nimmt. Keiner weiß so recht, was er tun soll: Ist der Fremde gefährlich? Oder braucht er einfach nur Hilfe?
Die Spekulationen sprießen, vereinzeltes Murren wird laut, aber bevor die Stimmung der nicht gerade fremdenfreundlich eingestellten Liebauer kippt, reagiert ein Einheimischer pragmatisch: Johann Georg Hollerer, der Dorfpolizist, besorgt zuerst ein paar Brötchen und informiert dann die Kripo in Freiburg.
Da nimmt man den Fall, der zunächst noch keiner ist, nicht sonderlich ernst, schickt die verkrachte, unter Alkoholproblemen leidende Louise Boni vor die Tore der Stadt. Sie begleitet den Mönch, der irgendwann einfach weiter gegangen ist, in Wechselschichten mit dem Dorfpolizisten. Der Asiate hat Angst, das spürt sie, er wird verfolgt. Mehrmals meint Louise Boni, Schemen im Schneetreiben wahrzunehmen. Keiner glaubt der mutmaßlichen Alkoholikerin; sie soll gar vom Dienst suspendiert werden. Doch dann liegt Hollerer plötzlich stark blutend im Schnee, und neben ihm ein toter Streifenpolizist.
Wie Louise Boni heimlich, allein und gegen ihren Chef den Fall ermittelt, das ist die eine Geschichte des Buches; wie die Kommissarin den Kampf gegen den Alkohol verliert, die zweite. Mit seinem wunderbaren Debütroman erzählt der junge Münchener Autor Oliver Bottini eine bemerkenswerte, atmosphärisch starke Geschichte, psychologisch stimmig und sprachlich versiert. Eine steife Brise bläst den Lesern bei der Lektüre entgegen, kalte, stöbernde Flocken tänzeln ins Gehirn. Trotz des verunglückten Titels ist »Mord im Zeichen des Zen« der passende Kriminalroman zum herannahenden Winter.

Oliver Bottini: Mord im Zeichen des Zen. Scherz Verlag, Frankfurt a.M., 368 S., 2004, 14,90 €.