Sehr witzig!

Rheinischer Frohsinn und Kölscher Humor, sind sie Nur Mythen oder gelebte Leichtigkeit? Yvonne Greiner fragte Jürgen Bennack, Professor für Schulpädagogik an der Kölner Uni und passionierter Humorforscher

 

StadtRevue: Ist der Kölsche Humor ein Mythos oder gibt es ihn wirklich?

Jürgen Bennack: Das Erstaunliche ist: Es gibt ihn. Vor einigen Jahren war ich beim FC, bei einem Spiel, ausnahmsweise im Südstadion. Toni Polster spielte da eines seiner letzten Spiele. Ein gegnerischer Spieler rempelte Toni Polster ein wenig, und das Kölner Publikum brüllte: »Hä hät im jet jedonn, hä het dämm Toni wih jedonn«. Dieses Laute, Übertriebene und liebevoll Anbiedernde ist typisch. Sie erleben diesen Humor auch in der Straßenbahn, auf Märkten, wenn sie mit wirklichen Kölnern reden – was heißt wirkliche Kölner? Man ist Kölner, nicht weil man in Köln geboren ist, sondern weil man es sein will.

Was unterscheidet denn den Kölner Humor zum Beispiel vom Hamburger Humor?

Ich weiß nicht, ob die Hamburger einen haben (lacht), aber nein, natürlich hat jeder Humor. Der Kölner Humor ist insofern spezifisch, als dass er sehr bodenständig und volkstümlich ist. Er ist überhaupt nicht intellektuell. Mit ihm versuchen die Kölner das alltägliche Leben zu bewältigen, das Essen, das Trinken, das Lieben, das Sterben. Dem Kölner Humor fehlt jede Spritzigkeit oder Vornehmheit, er ist oft plump und manchmal ordinär.

Hat sich der Kölner Humor im Laufe der Zeit verändert?

Weil das Leben sich ändert, ändert sich auch der Humor. Früher war er auf die kleinen Leute zugeschnitten, Tünnes-und-Schäl-Witze sind sehr einfach. Heute wollen ja alle etwas Besseres sein, das könnte ein Problem für den Kölner Humor werden, denn er ist traditionell einfach und derb. Der Humor in den Kölner Gaststätten zum Beispiel verschwindet langsam. Früher wurden Sie dort geduzt, der Köbes war relativ unverschämt, was ihm aber niemand übel nahm, der mischte sich auch in Gespräche ein. Sie finden das nur noch in wenigen Gaststätten. Das nimmt auch deswegen ab, weil die Fremden diese
direkte Art nicht immer mögen. Die gehört aber zum Kölschen Humor: Dinge zu relativieren, nichts Protziges gelten zu lassen. Wenn ich im Brauhaus sage, ich bin der Herr Professor, dann kriegen die Köbesse einen Lachkrampf, das interessiert die nicht. Zu Recht! Eitelkeiten zählen nicht, und der Hang zum Nivellieren ist groß.

Der Hang zum Tabubruch auch?

Es gibt überhaupt keine Tabus. Nehmen Sie mal die Figur des Speimanes im Hänneschen-Theater. Nicht nur, dass er stottert, er hat auch einen Buckel. Speimanes ist ein richtiger Krüppel, über ihn lacht man, und er wird auch grob angesprochen: »du buckeliger Schlawiner«. Man geht in Köln mit Menschen, die Schwierigkeiten haben, nicht nett um, stattdessen werden sie hart angegangen, aber sie sind andererseits auch als Teil des Milieus akzeptiert.

Woher kommt diese Missachtung von Autoritäten und Tabus?

Köln war im Mittelalter nicht unter weltlicher Herrschaft. Es gab keinen Fürsten mit Erbfolge, sondern einen Erzbischof, und ein Erzbischof hat ja in der Regel keine Kinder, zumindest nicht solche, die dann auch wieder Erzbischof werden. Der Herrscher war immer eine Einzelperson, die wechselte, das prägt eine andere Auffassung von Herrschaft. Dann hat man sich in Köln bereits im 13. Jahrhundert dieser kirchlichen Herrschaft entledigt, man denke an die Schlacht von Worringen. Außerdem war Köln auch freie Reichsstadt. Diese Art von Freiheit führte zu dieser kölschen Art von Freizügigkeit und Ablehnung von Obrigkeit. Und zusätzlich war Köln eine Handelsstadt. Wenn Sie handeln und gleichzeitig anderen Leuten ihre Weltanschauung aufdrängen wollen, dann sagen die potenziellen Käufer: Verkauf das Zeug doch woanders. Im Handel geht es um nüchternes Geschäft. Wenn du mir das Geld für die Ware gibst, frage ich nicht danach, wer du bist und was du tust. Daher kommt die kölsche Toleranz, die mag manchmal unmoralisch sein.

Ist das wirklich Toleranz oder vielmehr Denkfaulheit oder Gleichgültigkeit?

Denkfaulheit ist das nicht, aber Gleichgültigkeit. Es ist das bloße Hinnehmen von Anderssein. Tolerieren ist mehr, wirklich toleranter als andere Leute sind die Kölner nicht, sie sind genauso kleingeistig und spießig wie andere auch, und sie sind genauso gegen Ausländer, aber eines haben sie im Laufe der Jahrhunderte wohl gelernt: Fanatismus lohnt sich nicht, also lasse ich es doch gleich sein. Außerdem hatte Köln viele Fremdherrscher, denen gegenüber gab es immer Skepsis. Die Kölner sind nicht vor Ideologie gefeit, aber sie verfolgen Ideologie nicht mit Fanatismus, nicht mal die katholische. Dazu ist der Rheinländer nicht fähig, er ficht nichts durch, er laviert eher, er kann nicht Nein sagen – und übrigens auch nicht Ja (lacht).

Hat der Kölner Humor auch Nachteile?

Sie können die tiefsten und wichtigsten Angelegenheiten im Alltag ansprechen, aber Sie können im Kölner Milieu nicht zu einem geistigen Höhenflug ansetzen, da werden Sie sofort gebremst. Sie können kein ernstes, intellektuell anspruchsvolles Thema besprechen – das ist ein Nachteil.

Aber es gibt doch in der Geschichte Kölns auch Intellektuelle.

Nehmen wir mal Heinrich Böll, ein hervorragendes Beispiel für einen kölschen Intellektuellen. Er musste sich in seiner Intellektualiät individualisieren und isolieren, er hat im Milieu nur schwer Fuß gefasst. Sogar mit der Ehrung hat sich die Stadt Köln schwer getan, das muss man sich mal vorstellen, Böll war Nobelpreisträger! Der Intellektuelle hat es in Köln schwer, weil er sich aus dem Bodensatz des Simplen erhebt.

Zur Person
Jürgen Bennack wurde 1941 in Köln geboren und hatte, bevor er Lehrer und später Hochschulprofessor wurde, auch mal »einen seriösen Beruf«, wie er sagt. Er war Industriekaufmann. Neben seiner Tätigkeit an der Uni Köln schreibt er Bücher zu Erziehung und Lehrerausbildung – und zum Kölner Humor: Jürgen Bennack und Gerd Uhlenbruck: Humor als Kölsch Philosophie. J.P. Bachem Verlag, Köln 2003, 190 Seiten, 14,95 €


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