Rechnen im Rathaus

Nach der Wahl am 26. September wurden fast alle möglichen Koalitionen durchgespielt.

Yvonne Greiner hat mitgerechnet, nachgefragt und nichts Vielversprechendes gefunden

»Der größte Rückschritt wäre eine große Koalition«, hatte Barbara Moritz, alte und neue Fraktionsvorsitzende der Kölner Grünen, der StadtRevue vor den Kommunalwahlen gesagt. Als hätte sie’s geahnt. Prompt ist die große Koalition die einzig wirklich stabile Mehrheit, die sich für den Kölner Stadtrat ergibt. Zumindest rechnerisch. Zur Erinnerung: CDU (29 Sitze) und SPD (28 Sitze) sind quasi gleich stark, die Grünen (15 Sitze) die drittstärkste Fraktion, gefolgt von der FDP (7 Sitze). Bei den insgesamt 90 Sitzen im Rat hat die seit anderthalb Jahren währende schwarz-grüne Kooperation somit keine Mehrheit mehr. Ob eine große Koalition zwischen SPD und CDU jedoch politisch Sinn macht, diese Frage beantworten die Parteien ganz unterschiedlich.

Große Koalition als Rückschritt

Die CDU, von personellen Querelen gebeutelt, zerstritten und immer noch mit dem Spendenstückelungsvorwurf (Richard Blömer) behaftet, sieht in einer großen Koalition mehrheitlich einen gefährlichen Rückfall in Zeiten vor 1999, als Postengeschiebe und Parteienfilz zwischen den beiden Großen die Kölner Politik maßgeblich prägten. Vor allem an der Basis gebe es keine Mehrheit für eine Neuauflage der intimen Zusammenarbeit zwischen Sozial- und Christdemokraten, so die CDU-Führung. Betrachtet man die Programme der beiden Parteien, findet man jedoch eine große Übereinstimmung: Nicht nur bei der Arbeitsmarktpolitik, beim Hochhauskonzept und dem notorischen Wahlkampfthema Sauberkeit stehen sich SPD und CDU nahe.
Die SPD will partout eine große Koalition – betont aber: »Diese Kölner CDU ist nicht unser Wunschpartner«, sie habe den grundlegenden Prozess der Erneuerung nicht abgeschlossen, so SPD-Fraktionsvorsitzender Martin Börschel. In einer Pressemitteilung vom 6. Oktober wiederholt die SPD manisch die Forderung nach einer »stabilen, verlässlichen Mehrheit«, die »handlungsfähig und zuverlässig« eine »solide und verlässliche Politik« im Rat sichern müsse. Nun mag nach so viel personeller und programmatischer Erschütterung in den letzten fünf Jahren die Sehnsucht nach stabilen Verhältnissen – und damit implizit der Wunsch nach einer großen Koalition – verständlich sein. Inhaltlich jedoch gibt die Häufung der immergleichen Adjektive nicht viel her. Was will die Sozialdemokratie? »Die Kölner SPD will eine Veränderung in dieser Stadt.« Aha. Und was, wenn keine stabile Mehrheit zustande kommt? Dann will sie »selbstbewusst und überzeugend ihre Politik für Köln aus der Opposition heraus vertreten.«

Flexible Grüne

Wirklich selbstbewusst sind die Grünen: »Wir betrachten unser Wahlergebnis keineswegs als Auftrag, nun in die Opposition zu gehen«, heißt es im Beschluss der Kreis-Mitgliederversammlung vom 4. Oktober. Gesagt, getan. Die Grünen haben sowohl der CDU als auch der SPD Verhandlungen für eine gleichberechtige Zusammenarbeit angeboten. Die SPD lehnt dankend ab: »Eine Dreierkonstellation, wie die Grünen und die CDU sie sich vorstellen, wird es für uns nicht geben. Das läuft inhaltlich auf einen zu kleinen gemeinsamen Nenner hinaus«, erklärt Börschel auf Nachfragen und bemüht die Mengenlehre: Die Schnittmenge zwischen dreien sei zwangsläufig kleiner als zwischen zweien.
»Wir haben die Ergebnisse der schwarz-grünen Koalition in der letzten Ratsperiode bekämpft«, erläutert Börschel weiter. Jetzt könne die SPD nicht den Mehrheitsbeschaffer für Schwarz-Grün mimen. Da nützt es auch nichts, dass Barbara Moritz betont, die Grünen wollten »auf gleicher Augenhöhe« zusammenarbeiten. Börschel misstraut diesem Angebot, die Grünen und die CDU würden sich ständig abstimmen, sagt er. Da fehlt es in der verjüngten SPD offenbar an Selbstbewusstsein, vorherrschend scheint die Angst, trotz der eigenen numerischen Stärke zwischen den bisherigen Kooperationspartnern CDU und Grüne unterzugehen. Diese Bedenken wurden genährt durch das klare Bekenntnis der CDU, die Zusammenarbeit mit den Grünen fortsetzen zu wollen, verbunden mit der Aufforderung an SPD und FDP, dieses Kernbündnis zu unterstützen.

Keine Chance für Ampelkoalition

Eine Kooperation zwischen Grünen und FDP aber ist mehr als unwahrscheinlich. Die FDP habe sich mit »rechtspopulistischen Kampagnen gegen Flüchtlinge und absurd überzogenen Parolen gegen Kriminalität in Szene gesetzt«, so die Grünen, und damit rechtsextremem Gedankengut den Boden bereitet. Aber auch an anderen Punkten wie z.B. der Haushaltskonsolidierung, sagt Barbara Moritz, sähe sie nahezu keine Gemeinsamkeiten. Einer Ampelkoalition (SPD, FDP, Grüne), die Börschel zumindest der Form halber erwägt, erteilt Moritz daher eine Absage. Einig sind sie sich, was die Einschätzung einer Zusammenarbeit von SPD, Grünen und PDS angeht: Sie hätte nur eine knappe Mehrheit von einer Stimme, da sei nicht viel Stabilität zu erwarten.
Zu Redaktionsschluss dieser StadtRevue, eine Woche vor der ersten Ratssitzung am 14. Oktober, hat nun zwar jeder mit jedem geredet und vor und zurück gerechnet, doch viele Möglichkeiten gibt es nicht mehr. Am wahrscheinlichsten ist derzeit eine große Koalition. Die weckt nicht nur schlechte Erinnerungen an schlechte Zeiten, sondern ist zudem mit einem pikanten Makel behaftet: Es hat sie eigentlich keiner gewollt, außer der SPD, und auch die nur halbherzig.