Viel zu tun für die Polizei: es gilt drei Gegendemos vor den Nazi-Hools zu schützen | Foto: Manfred Wegener

»Viele bleiben stumm«

Am 25. Oktober wollen Nazi-Hools wieder in Köln marschieren. Ein Büdnis ruft zu Gegendemonstrationen auf

4800 Nazi-Hools tyrannisieren das Kunibertsviertel, machen Jagd auf Polizisten und Migranten, schlagen sich teils gegenseitig krankenhausreif — das war am 26. Oktober 2014. Die Staatsanwaltschaft Köln leitete 141 Verfahren gegen identifizierte Demoteilnehmer ein.

 

»Hooligans gegen Salafisten« (Hogesa) sind seitdem ein Mythos in der rechten Szene. Wann immer sie sich militant geben, werden T-Shirts oder Kapuzenpullover mit dem Logo der Hogesa getragen. Als im Januar 2015 der Kölner Pegida-Ableger »Kögida« im Bahnhofsviertel marschiert, werden Journalisten von Schlägern mit Hogesa-Pullis angegangen. Wenige Tage später wollen Rechtsradikale eine Gedenkveranstaltung für die Opfer des Bombenattentats an der Probsteigasse stören. Die Polizei verhindert dies. Fünf Hogesa-Mitglieder werden verhaftet. Hinzu kommt eine Merkwürdigkeit. Im September 2015 ist Hammerskin-Mitglied Roland Sokol gestorben, der als einer der Initiatioren des Hogesa-Bündnisses gilt. Jetzt kam heraus, dass er Spitzel des Verfassungsschutzes gewesen ist.

 

Jetzt wollen die Nazi-Hools erneut in Köln auflaufen. »Dergleiche Ort, Diegleiche Demoroute, Diegleiche Uhrzeit, Dergleiche Anmelder« [sic] lautet der Slogan für eine Demonstration am 25. Oktober. Angemeldet wurde sie wie zuvor von »Pro NRW«-Funktionär Dominik Roeseler. Dem Aufruf folgen »Berzerker Deutschland«, das Bündnis »Gemeinsam stark Deutschland« sowie »Hogesa — Bündnis deutscher Hools«.

 

Hogesa stammt aus der rechten Fan-Szene, doch eine große Rolle spielen Fußballfans mittlerweile dort wohl nicht mehr. »Die Hogesa und ihre Nachfolgeorganisationen sind offen neonazis­tischer geworden. Der Fußball­bezug wurde geringer«, sagt Fan-Forscher Robert Claus von der Universität Hannover. In den Stadien seien weniger Hogesa-Utensilien zu sehen, bei den Veranstaltungen der verschiedenen Pegida-Ableger.

 

»Hogesa und ihre Nachfolgeorganisationen sind offen neonazistisch«
Fan-Forscher Robert Claus

 

Trotzdem habe die Hogesa-Bewegung in der Fan-Szene Einfluss genommen, so Robert Claus. Rechte Hools griffen dieses Jahr linke Ultras in Bremen an. Dort sei die Szene wieder selbstbewusster geworden, sagt Claus. Im August kam es in Dortmund zu Auseinandersetzungen zwischen rechten und linken Fans. »Auf der einen Seite nehmen Vereine und Fans die rechten Hools wieder ernster«, sagt auch Martin Endemann vom Bündnis aktiver Fußballfans (BAFF). »Auf der anderen Seite wurden einige lokale Szenen gestärkt.«  

 

Fans des 1. FC Köln haben bei der Demo der Nazi-Hools im Oktober 2014 keine große Rolle gespielt. »Sicher waren Einzelpersonen aus der Hool-Szene dabei, aber niemand von Bedeutung, und schon gar keine Gruppen«, sagt ein Mitglied der Kölner Ultra-Szene, der anonym bleiben möchte. Das werde jetzt nicht anders sein, meint er. Auch die Ultra-Gruppe »Boyz«, wegen ihrer politisch rechtsoffenen Haltung und der Nähe zur Hooligan-Szene ein Sorgenkind in Köln, habe damit nichts am Hut. Proteste gegen die Veranstaltung wird es im Umfeld der FC-Fans allerdings auch nicht geben: nicht vom Dachverband der Fanclubs, nicht vom Verein selbst.

 

Das Stadion bleibt ein umkämpfter Ort. Die ganze Bandbreite der Kölner Kurve zeigte sich bei einer Partie im September. Die Gruppe »Coloniacs« kritisierte auf einem Banner die Übergriffe auf Flüchtlingsheime: »Der Geist der 90er geht um, doch viele bleiben stumm!« Beim selben Spiel hing bei den »Boyz« erstmals die Zaunfahne der befreundeten »Desperados 1999«, einer Dortmunder Ultra-Gruppe mit Verbindungen ins rechte Milieu. Neonazis aus Dortmund waren im Oktober 2014 bei der Hogesa-Demo dabei.

 

»Lasst uns Köln 2014 toppen — nicht nur zahlenmäßig, auch veranstaltungsmäßig«, fordert Andreas »Kalle Grabowski« Kraul aus Herne in einem YouTube-Video. Kraul war Redner auf der Hogesa-Demo. In dem Video trägt er ein T-Shirt der Hooligan-Band »Kategorie C«, die auf dem Breslauer Platz aufgetreten ist. Für den Kölner Anwalt Eberhard Reinecke sind dies Hinweise darauf, dass die erneute Hogesa-Demo nicht rechtmäßig sein könne. »Das Versammlungsrecht sieht vor, dass eine Versammlung friedlich und waffenlos sein muss«, sagt Reinecke, der eben das bezweifelt. Die Polizei folgte dieser Argumentation und versuchte zunächst, die Demonstration komplett zu verbieten. Das Verwaltungsgericht Köln hob dieses Verbot auf, das Oberverwaltungsgericht Münster bestätigte dies. Die Hogesa-Demo darf stattfinden, die Polizei hat jedoch die Möglichkeit, eine Standkundgebung, etwa auf dem Barmer Platz in Deutz durchzusetzen. In Hamburg hatte die Polizei den »Tag der Patrioten« am 12. September mit der Begründung verboten, dass es zu Angriffen auf die angemeldeten Gegendemonstrationen kommen könne. Der Fall landete vor dem Bundesverfassungsgericht, das die Rechtmäßigkeit des Verbots bestätigte. Auch in Köln versuchten Hooligans im vergangenen Oktober mehrmals, zur Gegendemonstration auf den Bahnhofsvorplatz durchzubrechen. Die Polizei verhinderte das.

 

Jetzt wird es die Polizei schwerer haben, denn sie muss nicht nur eine einzige Gegendemo schützen. »Es wird drei Kundgebungen in der Nähe der Demonstrationsroute geben«, sagt Jörg Detjen. Der Fraktionschef der Linkspartei im Rat der Stadt engagiert sich im Bündnis »Köln stellt sich quer«. Daneben haben die Initiativen »Köln gegen Rechts« und »Arsch huh« Gegendemos angemeldet. Linke Szene und Politiker hatten den Hogesa-Aufmarsch im vergangenen Jahr unterschätzt. Dieses Mal ist man zumindest vorbereitet.