Liebste Freizeitbeschäftigung, liebster Südenbock, liebster Kunde

Watchdog: Die Medienkolumn

Jazz ist nicht tot, er riecht nur komisch — diese Definition steuerte der mittlerweile definitiv tote Frank Zappa einst dem Aphorismen-Kanon bei. Über Fernsehen könnte man das gleiche sagen. Das will partout nicht ableben, obwohl sich bereits Nachruf an Nachruf reiht. Die Stiftung für Zukunftsfragen veröffentlichte soeben  die Studie »Freizeitmonitor 2015«, die sich mit den liebsten Freizeitbeschäftigungen der Deutschen befasst. Unangefochten auf Platz eins: Fernsehen. 97 Prozent der 2000 Befragten gaben an, regelmäßig die Kiste einzuschalten. Auf den nächsten Plätzen folgen Radiohören (90 Prozent) und Telefonieren (89 Prozent). Jetzt erst folgt mit 73 Prozent das Internet, das damit aber zum ersten Mal an der Zeitungslektüre vorbeigezogen ist. Interessanter ist die qualitative Auswertung: Die Meinungsforscher um Studienleiter Ulrich Reinhardt konstatieren, dass insbesondere jüngere Menschen andere Dinge eigentlich noch viel lieber täten: »Natürlich würde auch die jüngere Generation sich lieber treffen, statt zu skypen oder zu simsen, aber letztlich rafft man sich abends nicht mehr auf und wendet sich lieber den Medien zu«, so Reinhardt. Richtig schön faulenzen und nichts tun, der gute alte Müßiggang also, werde aber auch kaum noch  beherrscht. Nicht zuletzt, weil die Jüngeren abends mindestens eine Stunde bräuchten, um abzuschalten und in den mentalen Offline-Modus zu gelangen. Geradezu besorgniserregend ist für die Meinungsforscher, welche Freizeitbeschäftigungen zu den ganz großen Verlierern gehören: kulturelle Veranstaltungen und ehrenamtliche Tätigkeiten. Beides würde inzwischen so gut wie gar keine Rolle mehr spielen.

 


Unangefochten auf Platz eins — nahezu hundert Prozent Zuspruch bei den Befragten, das sorgt natürlich bei den TV-Machern für ein breites Kreuz. Und auch wenn die Studie offenlässt, welche Sender im einzelnen eingeschaltet werden, melden die öffentlich-rechtlichen bereits neuen Finanzbedarf an. Gute Programme kosteten, erklärt ARD-Chef Lutz Marmor. Was nicht zu leugnen ist. Also hätte Lutz Marmor gern mehr Geld. Er würde es allerdings, so die Wochenzeitung Die Zeit in ihrem Wirtschaftsteil, am Programm vorbei stante pedes in die Pensionskassen transferieren. »Das Problem sind nicht nur die üppigen Pensionen«, widerspricht die Bild unter der Bild’schen Muster-Überschrift »Wie TV-Sender unser Geld verbrennen«. Um dann weiter unten im Text festzuhalten: »Es sind vor allem die üppigen Pensionen, die dem WDR die roten Zahlen bescheren.« So rechnet nur die Bild, aber wenn’s einer guten Headline dient?...

 

Vielleicht gelingt es der DuMont-Verlagsgruppe, junge Menschen wieder für die gehaltvolle Zeitungslektüre zu begeistern. Seit Anfang September ist die Kinderzeitung »Duda« auf dem Markt und wendet sich an Kinder zwischen acht und elf Jahren. Auf jeweils zwölf Seiten und im Halbformat auf Zeitungspapier soll die Welt erklärt werden: bunt, verständlich, kinderzimmertauglich. So geht es in der Titelgeschichte der Pilotausgabe »So viel Wasser« um die Badegefahren im Rhein und die Artenvielfalt der Weltmeere. 15.000 Exemplare sollen wöchentlich an den Jungleser gebracht werden, dem auch die aktuellen Nachrichten aus der Erwachsenenwelt altersgemäß erklärt werden sollen. »Egal, ob es dabei um Flugzeugabstürze oder Bundestagsdebatten geht — wir wollen Kinder nicht alleine lassen mit dem, was ihnen täglich in den Nachrichten begegnet«, erklärt Stadt-Anzeiger-Chefredakteur Peter Pauls das Konzept. Er ist sich sicher: »Kinder wollen Zeitung lesen, sie stellen Fragen, möchten verstehen.« Er ist sich sicherlich auch sicher: Wenn die Verlage nicht anfangen, jetzt die Abonnenten der Zukunft zu umwerben, dann wird die Zeitungslektüre bei weiteren Umfragen weiter nach hinten fallen. Noch auf dem letzten Platz des aktuellen Freizeitmonitors mit 52 Prozent: Kaffeetrinken/Kuchen essen.