Bernd Wilberg

Ist nicht wurst!

Was früher in die Zuständigkeit der Religion fiel, wird heute von Diät-Beratern, Alternativ-Medizinern und Tierrechtlern übernommen: Sie stellen immer neue Ernährungstabus auf. 

 

Was das bedeutet? Grundsätzlich nur, dass mehr Menschen bereit sind, die Folgen ihrer Ernährungsweise zu bedenken: für ihre Gesundheit, für Tiere und Pflanzen sowie — das ist zu hoffen — für ihre Mitmenschen, die teils unter ausbeuterischen Bedingungen unsere Lebensmittel herstellen. 

 

Neben der selbst diagnostizierten Laktoseintoleranz ist die vegane Ernährung derzeit am einflussreichsten. Und wie jeder moralische Rigorismus offenbart der Veganismus auch Verstörendes: etwa, dass sich seine Anhänger für das Persönlichkeitsrecht von Muscheln, Schnecken und anderen Weichtieren einsetzen, nicht jedoch für das menschlicher Embryos — bloß, um nicht in die Nähe klerikaler Abtreibungsgegner zu gelangen. Solche Widersprüche können allerdings nicht den ethischen Ansatz als Ganzes herabwürdigen: Es gibt gute Gründe, das Leben von Tieren zu schonen. Und diese Auffassung findet immer stärker Anklang.

 


Prompt haben große Fleischkonzerne ihre Produktpalette neu bestückt: mit veganen, zumindest aber vegetarischen Wurst-Imitaten. Das kann Veganern eigentlich nicht schmecken, denn diese Betriebe lassen derweil weiter schlachten. Doch Fleischesser haben womöglich ein Aha-Erlebnis: Hä, die vegane Fleischwurst schmeckt ja wie echte Fleischwurst! — Aber eben das stimmt nur bedingt: Vegane Wurst, die mit Aromen und Gewürzen designt ist, schmeckt bloß wie jene echte Wurst, die ebenfalls mit Aromen und Gewürzen designt ist. Will sagen: Mit Soja und Seitan kann man nicht den Eigengeschmack von Wurst imitieren. Und schon gar nicht Rinderfilet, Sauerbraten oder Königsberger Klopse. Dass dies möglich wäre, vermag sich nur einzureden, wer hochwertige Wurst nie gegessen hat.

 

Die Wahrheit ist: Der Veganismus schränkt die kulinarischen Möglichkeiten ein. Tabus bedeuten Verzicht. Deshalb muss der Veganismus aber ethisch nicht falsch sein. Falsch ist er allerdings, wenn er seine kulinarische Begrenztheit leugnet. Haferflocken auf der Pasta können Parmesan nicht ersetzen.