Tanzen am eigenen Herzen: Yui Kawaguchi in »MatchAtria« | Foto: Kunimiro Fukumori

Globalize:Cologne

Dieses Jahr auf der Bühne: Repräsentanz vs. Authentizität

»Das Theater ist nur zu retten, indem man es abschafft«, befand Dramaturg Carl Hegemann schon vor zehn Jahren. Das Ideal dieser fruchtbaren Neudefinition wäre eine Kunst, die sich selbst aufhebt und das vielbeschworene Reale adäquat abbildet. Irgendwie ist es ja verständlich, wenn wir im Angesicht des Weltzustands nicht mehr zufrieden sind mit dem guten kritischen Theaterabend oder der aufregenden Performance.

 

Was ist jedoch genau real und wie bekommt man es auf die Bühne? Fest steht: Schauspieler verschwinden. Spiele, Objekte, Puppen oder Zuschauer übernehmen. Repräsentanz vs. Authentizität: Die diesjährige Ausgabe des Festivals Globalize:Cologne des Ensemble-Netzwerk der Freihandelszone steigt ein in die heiße Diskussion, wer oder was auf der Bühne das Sagen haben soll. Das Motto: »Toy!«. Dazu laden die Macher im Anschluss an die Aufführungen wieder zu »Tischgesprächen«, die letztes Jahr als Format begeisterten: eine lange Tafel, an der gemeinsam gegessen und debattiert wird. Eingeladen sind nun internationale Künstler, die außerhalb traditioneller Rezeptionsstrukturen arbeiten. Wenn das alles Theater sein soll, sind wir jetzt schon hin und weg.

 

Insbesondere von der Eröffnung. In »MatchAtria« (19./21.10.) drückt die Tänzerin Hui Kawaguchi dem Zuschauer ein lebensgroßes Herz in die Hand. Das pocht, während Kawaguchi inmitten ihres eigenen, 3D-projizierten Körpers tanzt. Weiter geht’s mit dem bulgarischen Performer und Extremkünstler Ivo Dimchev, bei dem wir selbst ran müssen. Was einem in »P Project« (19.10.) zu Police, Poetry, Pussy einfällt, dafür gibt es auf der Bühne vom Künstler zwanzig Euro bar auf die Hand: »Gute Tänzer und sexmaniacs willkommen«. In »Etiquette« (21./24.10.) des britischen Regie-Duos Rotazza spielt man wieder selbst. Zu zweit sitzt man irgendwo und performt nach Regieanweisungen über Kopfhörer ein unbekanntes Stück. Ein Punk-Konzert »R+J« gibt es auch, von der Gruppe Sashko Brama. Nur spielen sie darin Romeo und Julia und machen aus Shakespeares Capulets und Montagues die beiden Seiten des Bürgerkriegs in der Ukraine.

 


19.–24.10. GLOBALIZE:COLOGNE »Toy«

 

20./21.10. (19 Uhr), 21.10. (21 Uhr),
Yui Kawaguchi & Yoshimasa Ishibashi, MatchAtria, Alte Feuerwache

 

20.10. Ivo Dimchev, P project, Alte Feuerwache, 21 Uhr

 

21.–24.10. Rotozazza: Etiquette, Ort und Zeiten: Freihandelszone.org

 

22.10. Sashko Brama (UA):R+J, artheater, 20 Uhr

 

23.10. Alexander Manuiloff: Der Staat, Tanzfaktur, 20 Uhr

 

21.30 Uhr: Salon K Folge #8 — Sergej Maingard & Jens Standke:
Date me, Tanzfaktur

 

24.10. Tof théâtre (BE): Dans l’Atelier (für Kinder ab 8 J.), 15 u. 16 Uhr

 

2O Uhr: Kate McIntosh, All Ears, Alte Feuerwache