Mit 38 kann man schon mal seine Memoiren vorlegen: Gary Shteyngart | Foto: Brigitte Lacombe

Scheitern als Chance

Gary Shteyngart liest in Köln aus »Kleiner Versager« über existenzielle Krisen

Seit seinem »Handbuch für den russischen Debütanten« von 2002 gilt Gary Shteyngart als Garant für biografisch gefärbte, satirische Abgründe. Auch »Kleiner Versager«, Stheyngarts soeben bei Rowohlt erschienene Memoiren, beginnt damit: Gary, Mitte 20, wahlweise angehender Schriftsteller mit latentem Drogenproblem oder angehender unglücklicher Anwalt mit Haarverlust, steht im New Yorker Strand Buchladen und starrt auf den Band »Sankt Petersburg: Architektur der Zaren«, als er die Fassung verliert. Alles kulminiert in dieser Szene: das Unwohlsein bei der Erinnerung an das Heimatland, das er mit sieben Jahren verlassen hat. Die Angst vor dem Scheitern an der Literaturmaschinerie, an der er so zwanghaft teilhaben will. Und, wie man später erfahren wird, auch die Panik vor dem Ende einer neurotisch geführten Liebe.

 

»Kleiner Versager«, der Nachfolger zum weltweiten Durchbruch »Super Sad True Love Story«, wird hoch gehandelt. Das zeigt sich schon in dem mit Stars gespickten Videotrailer. Im Stil eines »Funny or Die«-Videos wird Shteyngart zunächst von seinem Verlag mit dem Titel für sein Werk konfrontiert (weil er sehr klein ist — und ein Versager), der Erfolg des Buches wird jedoch überschattet von den erotischen Erinnerungen »Fifty Shades of Gary« seines Film-Ehemanns James Franco. Sein Leid klagt Shteyngart seinem Psychoanalytiker Jonathan Franzen, einem anderen Star der US-Literatur, der ja dieser Tage auch einen neuen Roman zu bewerben hat.

 

Diese Reihung von Seltsamkeiten und existenziellen Krisen fängt den Kern von »Kleiner Versager« tatsächlich ganz gut ein. Mit gerade mal 38 Jahren wirft Shteyngart einen Blick zurück auf die Geschichte seiner Eltern, die »Amerika so unkritisch lieben, wie nur Einwanderer es können«, und seine Kindheit zwischen Leningrad und New York. Rückschläge und Entfremdung dienen ihm als Volley-Vorlagen für melancholische Pointen. So entsteht ein persönlicher, teils rühriger Abriss von Jahrzehnten voller Widersprüche, in der der Protagonist zunächst fasziniert ist von der Tschesme-Kirche und Isaac Asimovs Sci-Fi-Geschichten, später vom ehernen Anti-Sowjet-Konservatismus George Bushs I., schließlich von der Glasbong seiner Kommilitonen und so ziemlich jedem Mädchen, das ihn abweist.

 


Lesung: Mo 28.9. Literaturhaus, 19.30 Uhr

Gary Shteyngart: »Kleiner Versager« Rowohlt, 480 S., 22.95 Euro