Für Ruhm und Geld

Eine Zeugin im NSU-Prozess wurde wohl ­erfunden.

Damit hat ein Anwalt die Nebenklage in Verruf gebracht

Viele haben es geahnt, jetzt wissen es alle. Beim NSU-Prozess in München gibt es Anwälte, die nur für den Ruhm und das üppige Honorar auf den Bänken der Nebenklage sitzen. Ralph Willms ist so ein Fall. Er vertrat eine »Meral Keskin«, die angeblich bei dem NSU-Anschlag in Mülheim an der Keupstraße verletzt wurde. Nur hatte Willms seine Mandantin nie getroffen. Sie sei in der Türkei und zu krank für die Reise nach Deutschland, hieß es. Anfang Oktober kam dann heraus, dass »Meral Keskin« nicht existiert. Attila Ö., ein anderer Nebenkläger, hatte sie erfunden und Gericht und Nebenklage getäuscht. Schnell machte eine Erklärung von Willms die Runde: Attila Ö. soll Willms gegen eine Provision versprochen haben, ihm eine Mandantin zu besorgen. Willms sei getäuscht worden und gutgläubig darauf reingefallen.



Was genau an diesen Vorwürfen dran ist, ist unklar. Attila Ö. hat zwar gestanden, »Meral Keskin« erfunden zu haben, aber zu einer Provision äußert er sich nicht. Und die öffentliche Erklärung eines beschuldigten Anwalts ist weniger ein Statement zur Faktenlage als der erste Schritt einer Verteidigungsstrategie, die von der entscheidenden Frage ablenkt: Wieso haben Anwälte im wichtigsten Prozess des wiedervereinigten Deutschlands nicht regelmäßig Kontakt mit ihren Mandanten? Willms hätte ja nicht gleich zu »Meral Keskin« in die Türkei fliegen müssen. Auch dort gibt es Telefon, und — falls Erdo?an es nicht gerade blockt — sogar Skype für den Videobeweis. Gegen Willms wird jetzt wegen Betrugs ermittelt. Über den Fall werden dann Gerichte und Ermittlungsbehörden entscheiden— und das ist auch gut so. 

 

Wieso haben Anwälte in einem so wichtigen Prozessnicht regelmäßig ­Kontakt mit ihren Mandanten?



Denn in den Medien und besonders bei Spiegel Online wurde der Fall dazu genutzt, die Einrichtung Nebenklage anzuzweifeln. Dabei sollte nun klar sein, dass es »die« Nebenklage in München nicht gibt. Es gibt Anwälte, die sich für ihre Mandanten und für Aufklärung im NSU-Komplex einsetzen, die Beweise einbringen, Zeugen kritisch befragen und die Öffentlichkeit suchen. Und es gibt den Rest. Dass erstere die letzteren so lange toleriert haben, hat einen naheliegenden Grund. Alle Opfer des NSU haben ein Recht darauf, vor Gericht vertreten zu sein, selbst wenn sich ihr Anwalt als unseriös oder unmotiviert herausstellen sollte.

In der Woche nach dem Phantom-Opferskandal stand ­übrigens Mario Brehme, ein Führungsmitglied des Thüringer Heimat­schutzes, als Zeuge vor Gericht. Er wich den meisten ­Fragen aus, bis sich im Verhör ein Verdacht erhärtete: Brehme hat wahrscheinlich für den Militärischen Abschirmdienst gearbeitet, womit klar ist, dass diese Organisation von den Geheimdiensten durchsetzt gewesen ist. Die entscheidende Frage dazu kam von Anwalt Yavuz Narin. Er vertritt die Familie Boulga­ridis als Nebenkläger.